Tagebucheintrag 08.08.2015

Liebes Tagebuch, es ist heute sehr warm………

Nein, liebes Tagebuch, lass mich nicht davon reden. Wichtigeres drängt mich. Das Wetter wollen wir den Fröschen überlassen.

Es ist, liebes Tagebuch, schon eine ganze Weile her, dass ich mich Dir anvertraut habe. Dir, da Du doch immer für mich da bist, offen jederzeit. Und mich nicht verrätst. Es ist so viel geschehen, ich fand nicht die Zeit….meine Gefühle, meine Zweifel….es ist viel passiert um mich herum und mit mir selbst.

Wege wurden zu Sackgassen, gesäumt von Bäumen, mit breiten Bürgersteigen, alten Häusern, aber aus verschiedensten Gründen nicht der Platz. Die Suche ging weiter und fand bis heute zu keinem Ende.

Aber Sackgassen draußen, veränderte ich mich, und ganz sicher nicht mehr bin ich derselbe, liebes Tagebuch. Dir könnte scheinen, ein anderer hat sich deiner bemächtigt. Im Grunde stimmt es auch. Doch wie sollte es nicht sein? Nein, liebes Tagebuch, ich bin es noch und schon auch nicht mehr.

Dann ist’s so, dass ich kurz davor stehe, meinen 200sten Beitrag zu verfassen. Erinnere Dich, liebes Tagebuch, als ich begonnen habe (und was zur Folge hatte, dass ich Dich vernachlässigte), dass ich Dir anvertraute, ich wollte auf diesem Weg berühmt werden. Ich stelle fest, es ist schwieriger, als gedacht. Meine Wirksamkeit auf das Leben der Menschen, sie beschränkt sich auf gelegentliches Wohlgefallen (oder Ärger, das vielleicht mitunter, wenn ich es auch nur vermuten kann, da diesbezüglich und glücklicherweise die Leser sich ausschwiegen) bei morgendlicher oder abendlicher Lektüre bzw. in den Bürozeiten und stets das, was gerade neu und aktuell veröffentlicht worden war, also leicht zu finden, selten altes………

………bis auf diesen einen Artikel, der jeden Tag aufgerufen wird. Er wird nicht kommentiert, bekommt keinen neuen Stern hinzu, nein, liebes Tagebuch, er wird einfach aufgerufen, diese meine Entdeckung, die ich zu Thomas Mann gemacht habe. Es war ganz nett, das sicherlich. Mir will nur scheinen, ich habe seitdem schon anderes verfasst, das mehr Aufmerksamkeit verdient. Es bleibt wohl ein Rätsel.

Worauf ich aber hinauswollte, die Berühmtheit, die ausblieb, sie macht mir zu schaffen. Ich sag das nur Dir, liebes Tagebuch, da es mich plagt. Und habe ich es bei Dir abgelegt, ist vielleicht wieder einfacher, zu schreiben.

Natürlich stehe ich mir selbst hin und wieder im Weg, das weiß ich wohl. Es mag mir beim Schreiben so gehen wie dem kleinen Jungen. Dem sagte man, mal einen Kreis. Und er malte eine Sonne. Dem sagte man, male ein Haus. Und er malte eine Mauer. Von dem man also meinte, er ist ein wenig hinterher. Mal, was man Dir sagt. Kreis. Haus. Ist das so schwer? Nun ich sehe in der Sonne einen Kreis. Und in einem Kreis die Sonne. Und was wäre ein Haus ohne Mauern? Wer anders schauen möchte………………

Nur so kann ich schreiben. Ein wenig eigen. Und das Eigene ist eben nicht das Allgemeine, im besten Sinne  Ergänzung und Korrektiv.

Doch immer hinterher. Denn allein, wenn es eine Lust hat -die kommt und geht, wann sie will-, kann ich schreiben, was ein Problem wird, will man vorne dranbleiben. Ich kann nicht wie nach Bürozeiten schreiben. Mir fehlt die Disziplin. Du wirst es wissen, liebes Tagebuch, wie oft ich hätte schreiben müssen und nicht habe schreiben wollen (oder können) Viele Tage blieben unerwähnt, die zu leben noch ging, die aber unerwähnt blieben, weil allzu unliterarisch. Oder mir fehlten einfach die Worte.

Nun, und so schweige ich an manchen Tagen, fühle mich gehetzt, obwohl mich keine Erzieher, wie es bei dem kleinen Jungen war, drängen würden. Ich bin es ja selbst, der mich unter Druck setzt. Es ist dieses Medium. Es ist dieser verdammte Ehrgeiz, vielleicht auch einmal zu einer Jury zu gehören, einmal im Radio zu hören zu sein, maßgeblich zu sein.

Möchte ein Nagel im Schädel der Menschen sein. Und bin doch höchstens eine Reißzwecke geworden.

Liebes Tagebuch, überall vergleicht man sich. Immer verliert man dadurch an Freiheit. Denn ich könnte ja wegen meines Handicaps in keiner Jury sitzen. Das ist auch der Grund, warum ich diese Verlage so liebe, die Vergessenes zu Tage fördern. Weil bei den wiederentdeckten Büchern Zeit keine Rolle spielt, Aktualität unwesentlich wird. Weil nur zählt, dass hier ein Buch ist, das einmal gelesen wurde. Und wieder gelesen werden sollte. Das gefällt mir sehr. Diese Bücher kann ich auch noch morgen lesen und den Tag darauf ein paar wenige Sätze darüber schreiben. Eine Liste abarbeiten, ein neues Verlagsprogramm, als Multiplikator. Ich hätte die Disziplin nicht dafür.

Und ich wäre ständig in Konflikt, meine eigenen Gedanken und Geschichten irgendwie mit unterzubekommen, wozu es besagte Lust bräuchte. Nicht immer aber wäre es passend. Man will nicht dem Buch unrecht tun, erzählte man zu viel oder nur von sich selbst. So ist es ja nicht, wenn zu bedenken ist, dass reizvoll nur sein kann, gedankenvoll zu sein, statt nur zu repetieren, dass man dabei aber Gefahr läuft, eine vordergründige Besprechung zum Anlass genommen zu haben, allein von sich selbst zu berichten. Und wenn es dabei allzu flach vor sich geht, Auweia!

Ich will nicht flach sein und nicht nur von mir reden. Dafür habe ich Dich, liebes Tagebuch. Du schluckst das. Für die Welt da draußen, für die Bücher, die ich noch lesen will, von denen ich reden möchte, für die Geschichten, da will mir eine weitere Stimme und Sprache gelingen, ein angemessener Ton, eigen und originell. Und ich will es ganz ohne neid tun und stets nur mit Lust.

Dank Dir für deine Geduld!

Lieber Möchtegern-TageBuchSchreiber, du bist ein Trottel, denn ich bin bei Gott nicht dein Tagebuch, sondern dein Blog. Und Du hast es nicht gemerkt. Nun ist es veröffentlicht und jeder, der es zu übersehen versäumt hat, kann jetzt lesen, wie es in deinem Inneren so aussieht. Ich bin mir nicht sicher, ob das deinem Anspruch gut bekommt, du Pfeife. Wobei es sein könnte, du hast vorsätzlich Tagebuch und Blog verwechselt. Ist es so?

Liebes Tagebuch……Lieber Blog, Ohhhh! Oh Oh!

Liebe Möchtergernberühmtheit, Ich erkenne die Ironie in all deinen Sätzen, aber bedenke, „Ironie heißt fast immer, aus einer Not eine Überlegenheit machen.“

Lieber Blog, da hast du jetzt Thomas Mann zitiert.

Liebes Möchtegernjurymitglied, wann immer es passt.

Lieber Leser, bitte „Tagebucheintrag“ ignorieren…………………Danke.

7 Gedanken zu “Tagebucheintrag 08.08.2015

  1. Liebes Tagebuch!
    Ich lese regelmäßig Beiträge eines Herrn Hund.
    Das ist einer.
    Schreiber.
    Gedankenvoller.
    Verrückter.(?)
    Träumer.
    Und demnäxt einer, der sie verwirklicht.
    Literaturenthusiast vor dem Herrn.
    Wie er im Buche steht. (Haha)
    Freund vom Fräulein Schneefeld, die Schokolade liebt.
    Man stelle sich vor:
    Bücher und Schokolade!
    Krass.
    Liebes Tagebuch,
    für Neid ist kein Platz.
    Die Freude ist größer.
    Yeah.
    Gute Nacht.
    Petra

    • Der Kernsatz lautet „Die Freude ist größer.“ Ich kann halt nicht schreiben, wie ich es tue, ohne nicht auch einmal ehrlich zu sein. Ist hiermit getan. Ist auch nichts, das mich jetzt bis auf die Knochen plagt.
      Und, ich nehme es an, es steckt ein wenig Schauichaufdichtutsweh in jedem von uns.

      • „… Freude soll lachen,glänzen und singen. …“
        Trotzdem! (Trotz allem)
        Nur so macht es Sinn.
        🙂

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