Das Abrunden einer guten Mahlzeit.

Bis vor Kurzem war es für mich die gelegentliche Zigarre. Das ist vorbei. Rauchen schadet der Gesundheit und geht ins Geld. In beidem muss man haushalten, damit im Alter noch genug bleibt. Doch fand ich als kleinen Luxus einen mehr als befriedigenden Ersatz.

Wenn ich mir jetzt nach einer leckeren Mahlzeit -am liebsten sind mir da Gerichte mit Knödel und Kraut- etwas Gutes tun will, um das Ganze abzurunden, gönne ich mir ein wenig Weltherrschaft. Dazu bedarf es überraschenderweise recht wenig. Ich setze mich dann in den Park oder bei schlechtem Wetter in ein Café und erkläre mich stillschweigend zum Weltherrscher. Und das genieße ich. Mehr als jede Zigarre zuvor.

Sofern man nicht den Fehler macht, es jedem unter die Nase zu reiben, dass man der Weltherrscher ist, ist Weltherrschaft ein recht harmloses Vergnügen und sehr viel gesünder als zum Beispiel das Rauchen. In Maßen genossen bereitet Weltherrschaft ein angenehmes Wohlbefinden. Und gerade an einem anstrengenden Tag so zur Mittagszeit verschafft Weltherrschaft entspannende Minuten. Danach sind die Akkus voll und die Balance wieder hergestellt. Das kann zwar auch eine Zigarre, aber Weltherrschaft kann das besser.

Niemand sollte aber denselben Fehler begehen, den Raucher etwa mit Zigarren oder Zigaretten begehen und es übertreiben. Denn zu viel Weltherrschaft, pausenlos und ohne Unterlaß, geht, genau wie das Rauchen oder auch wie Pferdewetten, ins Geld, besonders dann, wenn Sie es nicht verstehen, für sich zu bleiben und Ihre Weltherrschaft zu genießen. Denn Panzer, Artillerie und Hubschrauber sind teuer. Und wenn Sie es einmal übertreiben und etwa gezwungen wären, sich widersetzende Länder zu erobern und sich auflehnende Völker zu unterdrücken, nur weil Sie als Weltherrscher sich auffällig gemacht hätten, sind Sie nur noch einen kleinen Schritt vor dem sozialen Abstieg entfernt. Das passiert nicht oft, aber mir sind Fälle bekannt, in denen einer, der die Weltherrschaft nicht mehr in den Griff bekam, für einige gebrauchte Panzer hohe Kredite aufnahm, die er nicht zurückzahlen konnte (oder wollte) und in der Folge davon, verschuldet, arbeitslos und von seiner Frau verlassen, die gebrauchten Panzer längst verpfändet, auf der Straße landete, wo er jetzt seine Zeit damit verbringt, die Tauben mit Steinen zu bewerfen und vorbeigehende Passanten zu einer Partie Schiffeversenken herauszufordern.

Ganz zu schweigen von der Gesundheit, die man bei übertriebenem Genuss von Weltherrschaft auf’s Spiel setzt. Dabei spreche ich nicht einmal von Erschießungskommandos und Revolutionen. Nein, sondern davon, dass man als Weltherrscher keinen Feierabend kennt und, als hätte der Tag nicht nur 24 Stunden, ständig kommandieren,  befehlen, schreien, Todesurteile unterschreiben, Kriege führen und in rasender Tollwut Möbel aller Art zerstören muss. Das ist Raubbau am eigenen Körper und führt zwangsläufig zu Krankheit und Tod.

Nein, Weltherrschaft ist trotz all seiner Vorzüge nicht ungefährlich und auch  sicher nicht für jedermann.

Ich habe mich da aber unter Kontrolle. Ab und an war ich zwar selbst versucht, meine Weltherrschaft über die Mittagspause hinaus zu verlängern, habe auch schon einmal im Internet nach noch halbwegs brauchbaren Kanonen und Kettenfahrzeugen geschaut, doch hatte ich mich letztendlich immer im Griff. Die Kriegserklärung an meinen Nachbarn halte ich deshalb ja auch in einer Schublade des Küchenschranks unter Verschluss. Es wäre absolut töricht, diese kleine Schwäche zur Weltherrschaft, zu der ich neige, so auf die Spitze zu treiben, vor allem, da ich weiß, dass mein Nachbar sehr viel besser ausgerüstet ist; er hat einen großen Stock.

Ich habe also gelernt, mit meinem kleinen Laster umzugehen, genügsam zu bleiben und wirklich nur zu besonderen Anlässen oder weil ich mir einfach mal etwas gönnen will und doch sonst nicht viel habe, mich zum Herrscher der Welt zu erklären. Und ich denke, bei allem, was das Leben einem sonst vorenthält, sei einem, wenn er sich sonst in sein Schicksal fügt, eine kleine Weltherrschaft in der Mittagspause bzw. als gelungene Abrundung zu einer guten Mahlzeit vergönnt. Dazu habe ich, wie heute an einem solch schönen Tag, ein passendes Plätzchen gefunden, unter einem Ahornbaum, wo mich keiner in meiner Weltherrschaft stört und ich für ein paar Minuten am Tag das Schicksal der Welt in Händen halte. Und der Gedanke daran ist mir äußerst lieb geworden.

 

Danach, meine Weltherrschaft ist beendet, gehe ich meist noch zum See und füttere die Enten, etwas, was mir fast ebenso lieb ist. Und ich kann nur sagen: Was wäre denn das Leben ohne diese kleinen unschuldigen Freuden?

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