„Wer sind Sie denn, dass ich Ihnen etwas empfehlen könnte?“. Möchte ich sagen und den Blick senken. Buchempfehlung, wie geht das? Auf’s Geratewohl dem anderen ein Buch ans Herz legen oder davon abraten, weil man selbst entsprechende Erfahrungen damit gemacht hat?
„Hat in mir etwas ausgelöst, zum Klingen gebracht.“ Das will ich doch meinen. Es wäre vertane Zeit, wenn dem nicht so wäre. Allerdings, und da wird es spannend, es wäre herauszurücken mit dem, was es denn nun da drinnen bewegt hat, Gedanken, Gefühle etc. Man muss ja nicht gleich persönlich werden, aber lediglich zu sagen, „sollten Sie lesen, war toll“, will mir nicht ausreichend scheinen.
Eine ganz unironische Geschichte von einem der eine ironische Person genannt werden kann. Was ist Ironie, wenn sie den Boden unter den Füßen verliert, verloren hat.
Du musst die Dinge ernst nehmen, bevor Du sie ironisch behandelst
Da spricht NC, Nies, seltsamer Kerl, Kauz, eigensinniger Mensch. Als er dreizehn war, nahm das Leben ihn nicht ernst, brachen seine Eltern nach Kanada auf, ließen ihn bei seinem größeren Bruder zurück.
Es ist so wichtig, dass man jemanden hat, auf den man sich verlassen kann, fügte die Mutter hinzu.
Ihr neues Leben in Kanada, seinem war das Urvertrauen genommen. Ab jetzt nur noch nach seinem Kopf. Sein älterer Bruder wird Bankmann, er bleibt ziellos.
Nichts gilt ihm was. Selbst Worte, „aus Buchstaben zusammengesetzte Sklaven“ können so oder so gemeint sein. Wortspiele ohne Gültigkeit, Ironie ohne Witz. Es ist hier die Geschichte ein wenig öde.
NC wird Hausmeister, unter anderem, ist Flaneur, streift durch die Stadt, nur nichts genau kennenlernen, nur nicht zu sehr sich auf etwas einlassen, begegnet er einem dreibeinigem Hund, dessen Behinderung man gar nicht wahrnimmt.
Ironie ist, das Leben so nehmen, als wären da vier Beine, obwohl es nur drei sind. Ist sicherer Stand und Gang als ob. Ironie ist nicht, das Leben nicht anzunehmen, weil etwas fehlt.
NC wird Leichenbestatter und lernt eine andere Sicherheit im Leben kennen: den Tod. Dabei bleibt er am Anfang in ironischer Distanz. Doch Bestatten ist nichts Unverbindliches wie ein Hobby. Er lernt zunächst die Ruhe der Toten kennen, ihre Schönheit, die Würde, die nichts Ironisches an sich hat.
Wer aber einmal so ist, wie er ist, der ändert sich nicht gleich. NC ist nicht ganz der sympathische Kerl. Er wirkt bisweilen überheblich und arrogant, bricht einmal sogar eine Nase. Seine Originalität besteht oft nur in dummen Ideen.
Dabei hat er seine philosophischen Momente.
Vielleicht ist Würde nicht immer das, was man glaubt, sondern das Bestmögliche in der Situation, sagte NC.
Nur, was ist, wenn diese Einsichten den Zumutungen des Lebens wie des Todes nicht immer gewachsen sind. Denn wer weiß schon, was das Bestmögliche ist. Nicht immer nimmt einem einer, wie die Bäckereifachverkäuferin einem bei der Wahl des richtigen süßen Teilchens, die richtigen Entscheidungen für das Leben ab.
Wenn aber bei Nies‘ größter dummen Idee, einer „Seebestattung“, der Schuß nach hinten losgeht, da ist er mir nah und wird zu einer tragischen Existenz. Keiner versteht seine Absichten. Er ist isoliert.
Wie nun das Buch zu seinem Titel, „Applaus für Bronikowski“ gekommen ist, wer nun dieser Bronikowski sein soll, das verrate ich nicht. Nur so viel, es hat mit einer weiteren dummen Idee Nies‘ zu tun, die ebenso nicht so ausgeht, wie er sich das gedacht hat.
Doch wie sagt Manfred, der ein wenig Abraham Lincoln ähnelt und Nies‘ Chef ist, zu ihm:
Vielleicht bist Du deiner Zeit voraus, sagte Manfred, ich weiß es nicht, aber wenn sich deine Methoden herumsprechen, bin ich bald bankrott.
Da hat Nies bereits gekündigt. Und damit endet die Geschichte. Also, wer weiß, ob er die Kurve kriegt? Ironie ist auch ein Spiel mit Möglichkeiten. Ist nur gut, wenn man versteht, sie ins Leben zu übersetzen.
Mir würde ich das Buch empfehlen. Aber ich habe es bereits gelesen. Ein wenig ist es wie ein süßes Teilchen. Für den Moment ist es gut gegen das flaue Gefühl und den Appetit. Es ist nicht das große schwere Gericht.
„Applaus für Bronikowski“ von Kai Weynand, Wallstein-Verlag
Hin- und Weiterführendes bei SätzeSchätze , wo ich übrigens bei der Gelegenheit ein sehr schönes Groucho Marx-Zitat auf der Seite fand. Hätte ich nicht schon ein Eigenes, dieses würde ich klauen.
Und wenn Sie schon dabei sind, geneigter Leser, ein Zeilensprung weiter.
Und noch ein Sprung zur Klappentexterin, spätestens dann könnte man überredet sein.