Ich bin verständlicherweise mit den Nerven ziemlich am Ende. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich habe Angst vor den Träumen, die ich haben könnte. Ich kann gar nicht mehr richtig denken. Denken ist mir so mit einem Mal so unendlich fade und abgeschmackt geworden. Ich sitze seit einem Tag nur noch herum und schaue auf DVD „Love Boat“ in der Endlosschleife. Was für eine bescheuerte Serie. Kann das Ding nicht mal einer mit einem ordentlichen Torpedo versenken? Doch ich kann mich davon nicht lösen. Wie festgetackert sitze ich auf der Couch mit einer Schüssel Griesbrei auf den Knien und kann mich nicht aufraffen, aufzustehen, das Haus zu verlassen und ihn zu suchen, Gedanke Nummer 247, bis gestern da, wo ich alle meine Gedanken aufbewahre. Jetzt ist die Stelle verwaist. Meine Gedanken hatte ich bis gestern alle beieinander, alle sortiert und sorgfältig aufbewahrt. Wie konnte ich diesen Gedanken bloß verlieren? Und wo ist es passiert?
Zu alldem schweigt Captain Merrill Stubing, der mich aus dem Fernseher heraus mit dämlichem ZahnweissGrinsen anglotzt. Wie ist der nur an sein Kapitänspatent gekommen, frage ich mich? Dieser Idiot. Wenn ich diesen Gedanken nicht wiederfinden sollte, nimmt es ein böses Ende. Im günstigsten Fall werde ich für den Rest meines Lebens die 250 Folgen immer und immer wieder anschauen, mich nur noch von Griesbrei ernähren und darüber alles um mich herum vergessen, dabei sehnlichst nichts anderes mehr erwartend, als dass dieser Kahn mit seiner degenerierten Besatzung absäuft. Es wird allerdings nie passieren, bei keinem der Durchläufe. Ohne diesen Gedanken ist mir dieses Schiff ein furchtbares Rätsel. Alles bleibt mir schleierhaft, nichts verstehe ich mehr. Dieser eine Gedanke war es, der alles zusammenhielt.
Hilft mir bitte mal jemand. Findet jemand für mich diesen Gedanken? Ich will von diesem Schiff der Verdammten herunter oder zumindest wissen, was der Zweck seiner Reise ist? Die Belohnung soll für denjenigen, der ihn findet und mir wiederbringt, beträchtlich sein. Vielleicht reicht es auch aus, wenn ihn ein Klügerer als ich für mich denkt und den Gedanken mir überlässt. So kann man doch nicht leben, diese Serie nicht ohne größere Schäden überstehen. Wie soll ich den Gedanken bloß beschreiben, ihn erklären, jetzt, wo mir simpelste Denkaufgaben unmöglich geworden sind.
Wäre Leben und Denken ein Boot, ist dieser Gedanke der Korken, der das Wasser vom Eindringen abhält und den sicheren Untergang verhindert. Ja, mein Gott, ich weiß auch, dass das ein schwachsinniges Bild ist. Aber den möchte ich sehen, der ohne diesen Gedanken fähig ist, vernünftige Metaphern für das Alles zu finden.
Will jemand eine Beschreibung? Er ist nicht sonderlich groß, vielleicht so groß wie eine Rose oder ein Gänseblümchen. Wiegt auch so viel. Ansonsten von ganz einfachem Schmuck, aber dennoch sehr wertvoll. Irgendwo, macht die Augen auf, liegt er herum. Ist mir wahrscheinlich durch ein Loch in den Hosentaschen gefallen. Schaut also besonders nach unten!
Bitte strengt euch an! Und lasst mich mit dem Love boat captain nicht allein. Der Griesbrei kommt mir auch schon zu den Ohren raus.