Im Hintergrund weiterhin, wohl auch in mancher Nacht in transpirierenden Träumen, beschäftigt mich dieses Thema weiter, seit kurzem erst, vorher war da nichts, bestimmt nicht, obwohl, denn als Proustianer, als solchen gebe ich mich ja aus, da ist per Definition das Feminine fast schon Grundbedingung. War aber alles in stabiler Ordnung. Jetzt müsste es in einem Selbstversuch zu einer glücklichen Klärung des Sachverhalts gebracht werden. Es ist doch zuletzt die ganze Diskussion zu albern. Das Glück dabei besteht nicht unbedingt in Zugewinn an Erkenntnis.
Allerdings in der Wiederfindung der Balance der Anteile.
Jedoch, nur akademische Diskussion, in Foren und Leitartikeln das sollte für mich beendet sein. Ich probiere es einfach aus. An mir selbst. Und stelle gleich fest, die Frage ist im Grunde falsch gestellt. Nicht müsste sie lauten, lesen Männer keine Literatur mehr, vornehmlich nicht von Frauen? Sondern, das war dann auch der Ansatz für meinen Selbstversuch, ist es nicht vielmehr so,
dass Männer einzig nur im öffentlichen Raum keine Literatur, vornehmlich weibliche, lesen?
Dass Männer schon lesen, Gegenteiliges behaupten kann ich da gar nicht, sie sich aus tiefen Wäldern, ihren Stammkneipen, dem Für-Sich oder Unter-Sich oder von Muttis Couch und ins Licht, in Parks, Straßenbahnen und -cafés (mit Außenbestuhlung) allein nicht trauen, dort dem Hang und Bedürfnis vor aller Augen und Naserümpfen nachzugehen.
Das probiere ich aus, wie weit es mit meiner eigenen Befindlichkeit in
dieser Frage steht. Und verschärfe den Ansatz, indem ich eben vorsätzlich zu einem Frauenroman greife, den ich neben mir finde, neben ihr, auf ihrem
Nachttisch, und da etwa nicht nach dem erstbesten, sondern dem, der obenauf liegt und mir besonders geeignet scheint:
Stecke ihn mir in die Tasche, vielleicht sogar heimlich, habe dann noch eine weitere alptraumhafte Nacht, verlasse am nächsten Tag, gleich nach dem Frühstück, einem Brei aus Hirse, mit Früchten und einer großen Tasse Kaffee, im Mantel, der Fellohrmütze auf dem Kopf und einer Sonnenbrille das Haus . Um offen darin zu lesen.
Wohl in einem anderen Bezirk, es ist die Endhaltestelle, Berlin ist groß, dennoch sind da Menschen und Passanten, keineswegs also verlassen; Neukölln oder Wedding, das will ich vorerst nicht wagen.
(Anmerkung: die Unzulänglichkeit meines Vorhabens war mir im Übrigen von Anfang an bewusst. ich habe die entsprechenden Nobelpreisträger studiert un d weiß -so ungefähr- dass mein Experiment in gewisser Weise das mögliche Ergebnis verfälschen würde, indem es in der Fragestellung vorweggenommen wird. Es ist die Quantenphysik (Q-Wort) nicht weit entfernt, beschäftigt man sich als Mann mit Frauenthemen.)
Ich fand zuletzt einen guten Platz zum Lesen. Gutes Licht. Verkehrsberuhigt. Und Niemand, der sich stört, dass ich bei sommerlichen Temperaturen vermummt und stundenlang auf derselben Bank sitze.
Jette, Nele, Jessi, Magda und später noch Elena, mit diesen fünf Frauen werde ich den Tag verbringen. Manchesmal werde ich durcheinanderkommen, nicht wissen, wer gerade spricht, meistens aber weiß ich das schon – und fühle mit, so gut ich kann. Dann ist da noch ein Mann, kein Name, um ihn bewegen sich die Frauen wie Planeten, er wird nur der Bildhauer genannt.
…dass es von Bedeutung sein könnte, was ich hier als Erstes berühre…
Von was ich zuerst berührt werde. Es wechselt durchaus. Stellen, die mich kalt lassen. Andere wiederum nicht. Jene kann ich schwerer lesen, meine Gedanken schweifen ab. Und ich habe auch nicht das Gefühl, dabei etwas zu verpassen. Man liest und erkennt sofort, wann der Autor inspiriert gewesen ist, wann nicht. Es sei denn, man ist es selber gerade nicht. Es sind für mich während der gesamten Lektüre die Rückblenden die packenderen Passagen. Sobald alle Figuren sich auf dem Mühlenhof zusammenfinden, entgleitet mir ein wenig die Geschichte.
„Könnse mir mal Feuer geben?“
Dass ich entfeuert werden will von einem Buch. Nele übergießt sich mit Wasser aus einem Benzinkanister und bittet um Feuer. Dann lege ich es sofort weg, wenn es mich täuschen will. Wenn es nur Inszenierung und Kulisse ist, ohne eine gewisse Dringlichkeit. Biographie der Autorin. Die findet sich in dem Buch. Doch bitte es nicht zu weit treiben, alles darin finden zu wollen.
Ich bin nicht entbrannt, doch es glimmt.
Auch, als es zur Sache geht:
Meine Farbfelder sind am Anfang gelb, und wenn es gut ist, dann färben sie sich violett, dabei kann ich violett nicht leiden.
Geständnisse dieser Art sind nicht einfach. Ich sagte an anderer Stelle schon, das wäre so ein Punkt, an dem ich aussteigen muss bzw. nicht einzusteigen fähig bin. Dem Experiment geschuldet, verführt und also wenigstens einmal bereit, es auszusprechen, glaube ich, meine Farbfelder färben sich „wenn es gut ist“, ins Keksfarbene. Aber wissen kann ich es nicht, da meine Augen geschlossen sind.
Überhaupt, ES. ES kommt häufig vor, wobei ich mir nicht sicher bin, inwieweit es eine Rolle in dem Buch spielt oder spielen sollte. Als Argument führe ich, alles andere als ein Experte, an, dass gerade diese Stellen die sind, die mir am wenigsten geben. Es mangelt mir wahrscheinlich in Bezug auf Literatur hierbei an Phantasie.
Wie müsste erotische Literatur für Männer aussehen? Ist die möglich und kommt ohne Bilder aus?
Ich stoße an meine Grenzen. Es könnte aber an der Örtlichkeit liegen. Zu sehr achte ich darauf, dass man es mir nicht ansieht, kommt das Buch darauf zu sprechen. Als ein paar ältere Damen an mir vorbeikommen, blättere ich schnell weiter.
Ich würde gern wieder Königin sein. Ich weiß nur nicht mehr, wie.
Dass etwas verlorenging. Ein Paradies. Da bin ich wiederum ganz dabei. Das überzeugt mich. Das kennen wir alle. Dass der Rückweg versperrt ist und lediglich übrigbleiben Fotos, Bilder, Erinnerungen, an die Kindheit, die Träume, als diese noch möglich waren.
Wie war das mit mir? Meinen Träumen. Ich grabe tief, doch nach meinen Möglichkeiten, ist da keine Königin zu finden. Es reichte in meiner Vorstellung lediglich zur Chefsekretärin, höchstens Frau Konsul, Anna die Schöne.
Und immer nur im Februar. In dem Punkt beneide ich die Frauen. Ihre Träume taugen für das ganze Jahr.
Es fand mein Experiment ein Ende, als sich mein Magen meldete. Unterschiede bleiben. Aber Hunger haben wir alle. Ich führe es fort, Literatur von Frauen zu lesen. Wahrscheinlich nicht mehr dann im Rahmen eines Experiments. Sondern allein, weil sie gut ist. Alles andere wäre albern.
Nicht nur als Experiment, besonders aber an warmen Tagen, mumaßt ein Mann, ist tauglich für die Lektüre Sommerdreieck von Franziska Hauser
Und ich gestehe es mir ein, alles verstehe ich nicht, was mit Frauen zu tun hat, muss ich aber auch nicht.
…
Oh, I don’t want to know
And you don’t need to know
That much about me…
(P.S. Für Widersprüche in meinen Auslegungen übernehme ich keine Haftung. Diese sind zu sehr in meiner Natur verwurzelt.)