Jeder braucht ein Hobby. Das Dasein kann so breit, so lang und weilig auch werden, wenn es nicht ausgefüllt werden kann. Nur schlafen und träumen, das wäre schön, geht aber nicht immer. Man könnte natürlich ständig die Steuer erklären und käme an kein Ende. Ist eine Überlegung wert. Beschäftigt wäre man.
Was aber, wenn man ein Tischer ist und mit Steuern nichts am Hut hat?
Am Anfang wollte Tischer Treppenstufen sammeln. Das konnten wir ihm ausreden. Die Forderungen der Krankenkassen erschienen uns zu hoch. Wir sind keine Milliardäre, keine Baulöwen, dass wir Treppenstufen bzw. das Fehlen derselben mal soeben aus der Portokasse bezahlen könnten.
Zwischenzeitlich verlegte sich Tischer darauf, Kirchenfenster einzuschmeißen, aber nur die bunten und da gezielt die Farbe Rot. Aber Kirchen werden immer weltlicher und farbloser und Verkehrsampeln sind nur der halbe Spass. Er ließ es bleiben.
Ich schlug ihm -thörichterweise- Briefmarkensammeln vor. Ich vergaß, auf so einer Briefmarke steht oben unter dem Gezackten oder unten über dem Gezackten oder auch mal irgendwo dazwischen, ganz klein, aber man kanns lesen „Deutsche Post“ oder „Dänische Post“ oder „Post von Vatikan“ oder „Post von sonstwoanders“. Und man kann’s nur lesen, weil’s ein Text ist. Klein oder groß, Tischer mag Texte nicht. Und von allen Briefmarken das runterschneiden – ist doof.
Tischer meinte mal, ihm gefielen Ming-Vasen. Wir schwiegen lange, Münder und Augen weit offen. Dazu fiel uns nichts ein. Und glücklicherweise sprach Tischer auch nie wieder darüber.
Nachdem also Tischer die Reihe durchhatte mit kreativen Einfällen und zuletzt Poesiealbum (Vorschlag Marcel) auch nicht wirklich eine gute Idee war, fanden wir doch eins. Also Tischer gab dem Hobby seine Weihe, Madame ihm eine Dose: ab da sammelte Tischer Fussel und Fusselähnliches.
Nun würde mancher sagen, aber Tischer macht doch Aventiure. Ist das denn kein Hobby? Nein, denn Aventiure ist mehr als das. Ist Tischer wesentlich. Ist seine Essenz. Nimm diese weg, was hast du da: ein Ding mit Streifen. Nein, die Aventiuren gehören zu Tischer wie Luft zu Liebe. Ohne Aventiure wäre für Tischer wie Ersticken. Und tatsächlich röchelt er immer ein wenig, wenn’s mal wieder zu lange dauert. Denn die Aventiuren sehen es ein wenig anders als Tischer. Sie meinen, sie kämen ganz gut ohne Tischer aus, zumindest aber so lange, bis sie sich wieder erholt haben vom Gestreiften. Und dann machen sie Siesta, weit weg in einem Land, das nicht an Tischer ausliefert.
Nein, ein Hobby, das ist für Tischer ein Ausgleich, eine Überbrückung. Für das allerdings Tischer eine Leidenschaft entwickelt hat. Wenn was machen, tun oder haben, dann alles.
Er hat also Fussel für sich entdeckt. Zuerst die aus meinem Nabel, dann die unterm Bett undsofort. Und nur die schönsten Fussel sind ihm gerade recht, wobei uns die ästhetischen Kriterien von Tischer nicht ganz klar sind. Auch sind es nur im allerweitesten Sinn „Fussel“. Da ist schonmal eine Feder oder ein alter Keks dabei. Doch er ist glücklich dabei. Also, was soll’s?
Und seine Sammlung, ich kann’s nicht anders sagen, ist schon recht beachtlich.
Da sind Stücke dabei. Unbezahlbare, kostbare Stücke, will ich meinen. Tischer hat die jetzt nicht von einem Fusselsachverständigen mit Diplom schätzen lassen, das nicht, aber darauf geschlossen, wie Tischer seine Dose bewacht, so muss es mindestens den Wert einer gesunkenen Galeone haben, einer spanischen echten, keiner nachgemachten aus Lego. Es war deshalb nicht ganz ohne Gefahr, mal kurz sich die Dose für ein Beweisbild zu borgen. Aber wir kennen alle Tischers Tiefschlafphasen, er brabbelt dann bzw. es ist ein Werktag. Mit ein wenig Geschick, so gelingt’s an solchen Tagen.
Gut, gut, Fussel also. Nur, da es Tischer ist, so muss ja folgerichtig irgendwann eine Übertreibung kommen. Es wäre ausgesprochen irritierend, würde unser Gestreifter nun für immer einfach dasitzen mit einer Pinzette und einer Lupe und einfach die gesammelten Fussel von rechts nach links sortieren oder sie reinigen, putzen und abstauben. Dann könnte er ja gleich alt werden.
Nein, nein, da fehlte noch der Tischersche Twist, das Obligatorische. Das kam letzte Woche und dauert an. Tischer wollte seiner Sammlung einen besonderen Fussel einverleiben. Da es sich außerdem nach einer exquisiten Aventiure anfühlte, war bei Tischer sowohl die Sammelleidenschaft, als auch der Jagdinstinkt entfeuert: der unter Kennern bekannte Riesenfussel, die Krönung jeder Sammlung, entdeckt und in greifbarer Nähe in Tisches Einflussbereichs. (Anmerkung: ehrlicherweise muss man sagen, dass dem, was ein Experte für Fussel genannt werden kann, am nächsten kommt, nur allein Tischer selbst sein kann, es die Einschätzung als Krönung einer Sammlung also ein wenig einschränkt. Mir nicht bekannt, dass es für Fussel einen Lehrstuhl oder eine Fernsehsendung gibt.)
Mir ist nicht klar, welche Konsequenzen, es haben wird, aber einfach wird es nicht. Tischer will, also ist Tischer nicht aufzuhalten. Und schon gar nicht von Argumenten. Wenn ich ihm sage, der Besitzer von Riesenfussel hat Delegiertenstimmen und möglicherweise bald auch Panzer, dann ist’s nur Öl ins Feuer. Arme Panzer, ich liebe Panzer. Delegierte sind mir nicht so wichtig. Aber so Panzer haben nicht die Ausrüstung für so einen Tischer. Wenn man sie alle zusammenschweißen würde, helfen würde es nicht gegen Tischer.
Tischer ist also los, ließ sich nicht aufhalten, hat sich meinen Handrasierer geliehen und ist auf dem Weg. Und es dauert solange, wie es dauert. Ich weiß jetzt nicht, ob ich die Panzer warnen soll. Dass sie sich auf Bäume retten, einbuddeln oder als Kinderwagen tarnen können. Raten würde ich den Panzern auf jeden Fall, Abstand zu halten vom Besitzer von Riesenfussel. das könnte schon reichen.
Um den Besitzer von Riesenfussel ist’s mir wurscht. Um seine Delegiertenstimmen ebenso.
Aber gut, um des lieben Friedens willen, falls jemand ihn wirklich warnen möchte -als würde das was helfen-, hier ein Bild des Objekts von Tischers Begierde:
Vielleicht dass man dem Besitzer ein Nachricht zukommen lässt, besser den Fussel rauszurücken. es gibt sicherlich in seiner Nachbarschaft einen qualifizierten Friseur, der das Schlimmste abzuwenden helfen könnte. Und wenn er es nur wegen der lieben Panzer würde machen wollen.