XXIV: Der Plan der Madeleine

Grundversorgung mit anschließender Autoverfolgung. Das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden. Jetzt, Monate später kann man es verraten: es gab diesen Plan. Drei zu Zwei sind ganz froh, dass daraus nichts wurde. Wahrscheinlich auch der ein oder andere Radfahrer.

Es lebt bei uns dieses süße Früchtchen, klein, aber oho. Es ist nicht so wild wie Tischer, aber das auch nur, weil es in der Wildnis keine Boutiquen und französische Cafés mit freundlicher Bedienung gibt. Davon abgesehen haben diese beiden durchaus ein ähnliches Naturell. Die Neigung zum ausgiebigen Schlafen etwa, bei ihr allerdings der Schönheit wegen. Und sie muss sie haben, diese Schönheit, denn Marcel, der Schöngeist, hat einen Blick dafür und ist ihr gänzlich verfallen. Wenn einer eine Dichterseele und ein Lämmchen ist, kann das schonmal passieren. Und für diese eine würde Marcel, bei nicht geringem Unbehagen zwar, so ziemlich alles tun.

SandalettenMadeleine, kleines Nilpferd, im Grunde nur schlafende Muse, an den wachen Tagen hachend und seufzend in Marcels Arm, hat diese eine vermaledeite Schwäche: modische Badelatschen. Diese Passionen auch, machen aus sonst so liebstreizenden ausgeglichenen kleinen Wesen mitunter Geschöpfe mit krimineller Energie. Und die Genialität, nicht zugemutet, trat in der Folge offen zutage.

Obwohl, so ausgeklügelt musste der Plan nicht einmal sein, der sich in Madeleines Nilpferdgehirn im Herbst 2014 nach Ansicht einer Mode- und Lifestyle-Zeitschrift in Hochglanz, „Das trägt 2015 die modebewußte Dame am Fuß“ gleich auf Seite 10, wie von selbst einstellte. Es brauchte nur eine willige Mannschaft von Helfern.

Geradezu simpel war der Plan: Maske auf, Stürmen, Drohgebärden und Fuchteln, Ausräumen, Weg. Es springt einem sicherlich die Genialität dabei sofort ins Auge. Die Sicherheitsmaßnahmen in Schuhgeschäften sind ein schlechter Witz. Und ausgerechnet das Regal mit den Badelatschen bleibt die meiste Zeit des Tages unbewacht. Keine Kameras, keine ehemaligen Bodybuilder oder Fremdenlegionäre in Anzügen und mit Knopf im Ohr. Es steht einfach so rum, Ein Kinderspiel also.

Das zumindest war die Einschätzung von Madeleine. Sie wollte die Kollektion. Denn immer nur rosa? Was würden die Leute sagen?

Und was Madeleine will, das will Marcel auch. Helfer eins war also sofort gefunden. Zwar liegt dem Poeten nicht so das Stürmen und bedrohlich Gebärden, aber er ist nun einmal dauerverliebt in die Dame und also treu. Unter der Maske wird Marcel schon überzeugend ausschauen. Nun ja, ein wenig. Es würde reichen müssen.

Marcel_maskiert

Kandidat zwei, der Mann in Dauerdrohgebärde, prädestiniert und schon überzeugt, bevor man ihn erst fragen muss, stellte lediglich die Bedingung, das Fluchtfahrzeug zu fahren. Und kein anderer. Das ließe sich sicher machen, könnte man den Busfahrer der Linie 101 von der Notwendigkeit eines Fahrerwechsels überzeugen.

Und so maskierte sich auch Tischer, um sofort loszulegen.

Tischer_maskiert_non_checkNicht ganz.

Tischer_maskiert_gar_non_checkFast….

Tischer_maskiert_checkPerfekt. Das Bedrohliche sogar nochmal gesteigert. Das Team war gefunden.

jetzt war lediglich Madeleine selbst noch zu maskieren, was nicht so einfach war. Denn sie wollte zwar diese Badelatschen unbedingt, doch sich einen Damenstrumpf über den Kopf ziehen, statt über die Beine; sie sträubte sich ein wenig. Es erschien ihr wenig elegant. Und eine Dame will doch gesehen werden. Wenn die Beute nicht so verlockend gewesen wäre, sie hätte von ihrem eigenen Plan Abstand genommen. Dann hatte der vorletzte Strumpf auch noch eine Laufmasche. Das ging gar nicht, nie und nimmer. „So gehe ich nicht auf die Straße!“. Einer war noch in der Schublade. Der musste es sein, sollte das Unternehmen nicht scheitern.

Madeleine_maskiertWenn der Strumpf auch farblich nicht passen wollte zu Madeleines aktueller Kollektion an wunderbarer Schönheit, die Zeit drängte. Es war Regen angesagt.

So machten sich letztlich die Drei an einem Nachmittag im November 2014 auf den Weg und kamen zwei Stunden später wieder zurück, „Sonn- und Feiertags geschlossen.“. Das ausgespähte Schuhgeschäft hatte verdammt großes Glück. Und die Geschichte war um eine kriminalistische Sensation gebracht.

Für uns hieß das, für Herbst 2015, die Brigitte nicht so offen rumliegen zu lassen. Dass Madeieine ja nicht auf Ideen kommt.

Oder wir schauen für unser Nilpferd nach Badelatschen, Größe 3-4. So teuer können die ja nicht sein. Müssen ja nicht gleich aus Mailand oder Paris sein.

XI. Die Erotik des Udo B.

In den Schwarzwald. In die Achtziger. Wir hatten keinen ernstzunehmenden Grund dafür. Doch sind wir dort gelandet. Für einige Minuten. Jeden Tag. Ein Ergebnis davon: das Nilpferd schwärmt für Udo B.. Seit dem Moment, als es seinen nackten Oberkörper gesehen hat. Und es verzeiht ihm damit alles. Die Seitensprünge, die Intrigen und zuletzt Verlobung und Hochzeit. Selbst den weißen Golf und das schlechte Schauspiel. Das Nilpferd holt nur seine Jungmädchenschwärmerei nach. Und Marcel, verbunden in Liebe sitzt nur daneben und erträgt es. Bis es ihm zu viel wird, „Jetzt seicht es!“ und sich zu Tolstoi flüchtet. Viermal Krieg und Frieden an einem Tag. Was Marcel nicht an Oberkörper hat, Oberstübchen, Herz und Seele machen das mehr als wett. Das Nilpferd weiß das. Irgendwann sind die Minuten mit Udo dann auch vorbei, alles nichts Ernstes, doch durchaus angeregt, wirft sie sich Marcel sehr viel hingebungsvoller an den Hals. Und gut, dass ihr nicht beim Sturm auf Marcel, der Name eines Udo, Sascha oder Sonstwie, ihrem Mund entspringt. Sie meint immer Marcel, wenn sie seufzt, schmachtet und ihn küsst. Zu Udo in den Schwarzwald, ihn heimlich beobachtend beim Wasserski oder Fussballspiel im Garten, ist es nur ein kleiner unschuldiger Besuch ihrer Nilpferdphantasie.

Was gelegentlicher Begleiter in der Zeit macht? Er hat seine Ruhe. Nilpferd schmachtet, Marcel sinniert und ich wundere mich, warum ich mir das antue, da ich selbst von Udos Erotik nicht angesprochen werde, verdaue dabei aber mein Abendessen. Gelegentlicher Begleiter grummelt entspannt unter seiner karierten Decke und genießt den vielen Platz in seiner Höhle. Wenn er nicht, was in letzter Zeit häufiger vorkommt, auf dem Balkon auf seiner Bank sitzt und Spatzen beobachtet. Denn davon gibt es mittlerweile einige: wir haben Knödel aufgehängt. Für die Spatzen. Doch wahrscheinlich auch für unseren Wilden. So gesehen haben Spatzen und der Oberkörper von Udo etwas gemeinsam. Das Schwärmen und das danach Greifen in Gedanken, und es doch nicht tun. Wie auch. Nilpferd geht es so und bleibt am Ende bei Marcel. Gelegentlicher Begleiter redet zwar immer von ihnen, knurrt und ist auf dem Sprung. Doch er hat sie nie ernsthaft angesprungen, die Spatzen. Sie immer fliegen lassen. Noch.

Vielleicht wartet er nur auf eine bessere Gelegenheit, wer weiß.

Nilpferd tut das nicht. Sie hat Marcel. Und bei ihm jede Menge Gelegenheiten. Die sie alle nutzt. Schade Udo, für Dich. Dir entgeht was.

X. Uns blieb von Brasilien das Sambafeeling und mir vom Samba fast eine Überlastung der Bauchmuskulatur

Ungeachtet der sommerlichen Hitze hat Marcel seine Jacke wieder angezogen. Deswegen ist das Tollen aber nicht vorbei. Im Gegenteil, es wurde um das Tanzen erweitert. Alle, wie sie sind, tanzen mir brasilianisch auf dem Bauch herum. Eine für das Tanzen günstige, sehr elastische Oberfläche, will mir scheinen. Ich versuche mich ruhig zu verhalten, damit keiner etwa runterfällt. Selbst der gelegentliche Begleiter hat an den Wochenenden Lust dazu. Nicht am Runterfallen natürlich, aber am Sehrhochspringen. Für ihn ist das auch Training, sagt er. Üben, üben, üben und die Spatzen müssten dann schon sehr hoch fliegen, um nicht erwischt zu werden.
Begleiters Traurigkeit wegen Kroatien ist jedenfalls passé. Jetzt ist er wieder unser Wilder. Was ihm vielleicht an Grazie beim Tanzen fehlt, gleicht er durch sehr hohe, sehr spektakuläre Sprünge aus. Dann kommt aber auch schnell das Pusten und Nicht-Mehr-Können und gelegentlicher Begleiter setzt sich nahe an meinen Nabel und frönt seiner anderen Leidenschaft, Fussel fischen und sammeln. In meinem Nabel hat er schon manches Schmuckstück finden können, an Wochenenden wohlgemerkt. Werktags tue ich das für ihn. Dann trage ich auch Federn und Fussel von außerhalb zusammen, um sie ihm zur Begutachtung vorzulegen. Die meisten werden tatsächlich angenommen und in der Bonbon-Dose verstaut. Bald braucht er dafür eine größere. Seine Sammlung ist mittlerweile sehr beachtlich. Aber wahrscheinlich nicht sehr wertvoll. Wir werden das einmal von einem Experten schätzen lassen.
Im Moment befindet sich die Tanzgruppe aber noch auf meinem Bauch. Gelegentlicher Begleiter ruht aus am Nabel von dem, der zu seiner Welt gehört, Marcel und sein Nilpferd aber, jetzt mit der gesamten Fläche für sich allein, tanzen, nur mit Augen für den Anderen, sehr verliebt und sehr selig, Tango oder sowas. Ich verhalte mich weiterhin ruhig und gebe pfeifend die musikalische Begleitung, auch wenn ich keine Tangomelodien kenne. Es scheint allen zu gefallen.
Auch mir, der ich aber froh bin, dass gelegentlicher Begleiter eine Pause macht vom Springen und Weiterspringen und meine Bauchmuskeln schont. Zwei Verliebte kann mein Bauch aber noch ohne Probleme tragen.

Wenn es sein muß bis zum nächsten Morgen. Wie es wohl üblich ist bei einem Tango von Verliebten.

VI. Hitzefrei und große Liebe – erster Stillstand

Gelegentlicher Begleiter schläft. Es ist Donnerstag. Marcel und ich schwitzen. Nicht von der Anstrengung vergeblicher Trüffelsuche. Uns raubt die sommerliche Hitze den Atem. Wir bewegen uns kaum. Selbst unsere Gedanken trauen sich nicht, große Sprünge zu machen. Marcels aktuell einziger Gedanke suhlt sich neben ein Nilpferd. Da ist es einigermaßen angenehm. Vielleicht vom Schatten des gewaltigen Körpers? Doch so groß und mächtig sind Nilpferde gar nicht, wenn man sich näher mit ihnen beschäftigt. Das Nilpferd, das Marcel kennt, kommt aus Afrika. Und bleibt jetzt, wo es ist. Wenn die Zeit reif ist soll es nach Paris gehen. Mannequins und Dichter müssen dahin. Marcel ist das eine. Das gar nicht so gewaltige Nilpferd hat für das andere durchaus Talent. Beide werden ihren Weg dorthin finden. Aber erst später. Im Moment ist Marcel noch eingespannt. Das gar nicht so gewaltige Nilpferd, wie unser gelegentlicher Begleiter auch, ist kein aktives Mitglied bei unserer Trüffelsuche. Marcels große Liebe (und Muse) zu sein, ist aber auch eine Aufgabe, die einen ausfüllen kann. Für Marcel und mich ist das völlig in Ordnung. Wenn nur die Hitze nicht wäre, Marcel und ich wären schon längst wieder auf der Pirsch. Und das gar nicht so gewaltige Nilpferd würde seine Trüffel bekommen.

II. Mein Freund Marcel mag keine Hunde. Kaum einer weiß warum. – 2.Einleitung

Marcel sucht mit. Er liebt Bücher wie ich. Ihm wurden sogar schon Bücher gewidmet. Mir noch nie. Ich bin deswegen aber nicht eifersüchtig. Er schwärmt für Irland, für Wiesen und ein Nilpferd. Seit letzten Herbst auch für Terezia Mora. Die ist kein Nilpferd. Keiner weiß das, aber Nilpferde können sehr eifersüchtig sein. Das ist mittlerweile ausgeräumt. Marcel ist sehr viel poetischer als ich. Ich bin kein Poet, eher vorbeigegangener Philosoph. Doch beide haben wir diese eine Leidenschaft: Bücher.

Wir beide gehen zusammen in den Wald und wollen Trüffel finden. Solange wir suchen, führen Marcel und ich Streitgespräche. Wo die besten Trüffel zu finden sind, zum Beispiel? Unter welchen Bäumen? Wir sind Amateure. Dilettanten. Aber wir lieben sie eben, die Trüffelpirsch. Was soll man machen? Wir sind eben keine ausgebildeten Trüffelhunde.

Wir suchen. Und Marcel macht sich schmutzig. Ich nicht so oft.