Zitate sind gemein. Kommen zu spät. Hätte ich vorher wissen sollen. Was man von Literatur lernen kann für das vergangene Leben? Möglichkeiten, bedauerliche, die man versäumt hat. Ich habe die Hoffnung, das Leben wiederholt sich und ich bekomme die Gelegenheit einmal mehr, da ich’s nun weiß:
Ich kann zwar nicht tanzen, aber am Strand kann jeder tanzen, dachte ich.
aus: EmrahSerbes – Fragmente, binooki
Junger Mann, tolles Buch, vorbildhafte Blogeinträge. Werde es öfter nun bei mir tragen, und rechtzeitig dann, warte, warte, ich blättere noch, zu wissen, was an dieser Stelle zu tun ist. Und habe die Hoffnung, etwa dann am Strand, doch noch zu tanzen.
Stattdessen mich im Strandkorb ausgesetzt, literarisch auf dem Weg zum Anus, vor mir beim Abstreifen der nassen Bademoden, das große Badetuch verdeckt nicht alles, gelegentliche und leibhaftige Ani. Ich schaue irgendwohin, erst nach oben. Der Himmel außer mir ohne Wolken, blau, ein strahlend heller Spätsommertag, dann ich aber wieder unterwegs in UnSchwärze: Ymir.
Die Welt ein riesenhafter Körper, vor mir, um mich, mehr als einer, wie gesagt, an mir selbst sogar – Körper. An Stränden laufen und liegen Bäuche frei herum. Es ist ihr natürlicher Lebensraum. Am Strand lässt man seinen Bauch von der Leine. An ihm brechen sich die Wellen der Brandung, wenn er auf Schenkeln, um sich zu kühlen, ins Wasser sich trägt.
Das Körperliche begrenzt meine Lektüre.
Ymir, ironisch gebrochener Abenteuerroman, ein kleiner feiner Band, enthält, nebst dem einen nordischen Riesenkörper, der durchwandert wird, Körperliches in nuce: Kotze, Urin, andere Realitäten und Bedrängnisse. Und dabei Wagner im Gepäck, die holde Musik. Doch wie schön, ich muss nichts besprechen. Es fanden sich davon bereits mehr als Brauchbares, hier und hier etwa. Bereitwillig und nicht ohne Lust, und das erschreckt mich, folge ich also, brav wie ein Goonie, einem Nazi in die mystischen Eingeweide. Literatur, wenn so gekonnt, ist Verführung. Und Phantasie kennt kein Halten, bis in die Dunkelheit hinein, bergab, ohne nennenswertes Ergebnis, nicht hinauf, wo sich Phantasie so gerne sieht. Nicht also Peterchens Mondfahrt, sondern Nazi-Expedition, dass Groß-Heinrich später berichtet werden kann. Eigentlich scheußlich, dass man dabei bleibt.
Was mir auf Usedom so passiert?
Ich schrecke auf. Mich rettet die nächste Lektüre. Ganz was anderes, ein Sachbuch. Auf Island waren’s Erscheinungen, so wahr, wie es unter den Umständen sein kann und eben bei Erscheinungen so läuft.
Und Erscheinungen, ein ganzes Panoptikum, finde ich „Im Restaurant“ auch. Es beeindruckt die Montagetechnik. Aus vielen Einzelgeschichten stellt sich ein komplettes Panorama dar. Das ist schon sehr gut gemacht, nicht bloße Anekdotensammlung, sondern tiefe Einblicke in Gastraum und die bislang ungesehenen Räume dahinter. Schmackhafte Lektüre, während ich mir zwischendurch mit Backfischbrötchen den Hunger von der Seele futtere. Buden am Strand tauchen in dem Buch nicht auf, vieles Andere schon. Für nur ein Sachbuch im laufenden Jahr keine schlechte Ausbeute, wenngleich es Fragen nach sich zieht, warum nur eines.
Zum dicken Bauch am Strand gehört der dicke Schmöker. Der war natürlich dabei. Und da’s mich kaum in die quallendurchsetzte Ostsee drängt, komme ich gut voran. Das Dicke macht es mir leicht.
Aber drei Tage sind kurz, ich habe es nicht geschafft, die Lektüre besenrein hinter mir zu lassen. Ich nehme New Orleans unaufgeräumt mit nach Hause. Es beschäftigt mich noch sehr gelungen.
Wenn nicht gänzlich erholt, so war meine Rückkehr wenigstens heile. Es hätte anders ausgehen können. Mancher hatte sicherlich schon diesen Traum, von wilden Tieren gefressen zu werden. Das geht nie ganz ohne Lust ab. Meistens sind’s dann jedoch, Eisbär, Hai, Löwe oder Tischer, von dem man träumt. Ich wäre beinahe, ein Riesenbrötchen, von Möwen verspeist worden. Die „Fütterung“ war nicht ohne Lust. Warum hätte ich sonst wohl gelacht dabei? Das ist passiert, sonst nicht viel. war gut so. Denn sonst, und damit wären wir wieder beim Anus, dass irgendwann und irgendwo über tiefer See, mich die Möwe erst wieder befreit hätte. Und ob sie’s bis zum Horizont geschafft hätte, bis sie sich hätte von mir entleeren müssen. Ich bezweifle das.
Und nun bin ich wieder hier, eine anberaumte Literaturfehde steckt noch in den Kinderschuhen und muss durchgeführt werden. Energie wäre da.
Ich kehre aber in Gedanken nochmal (sicherlich noch öfter) zu Serbes zurück. In der Türkei gibt es IKEA auch. Das tröstet mich irgendwie. Denn wenn die Welt verrückt spielt und kurz davor scheint, auseinanderzufliegen, so ist IKEA ein Tempel der Hoffnung. Denn wo sonst wird einem gezeigt, dass alles und von jedem mit wenigen Handgriffen zusammengebaut werden kann. Die Welt wäre perfekt, wäre sie IKEA.
Ob es auf Usedom einen IKEA gibt, werde ich bei meinem nächsten Besuch überprüfen.