Das kleine Männchen (oder besser: Weschen) BAFF

Es ist kein Märchen, das nur kleine Kinder glauben vor dem Schlafengehen. Es gibt es wirklich, erscheint und verschwindet, und wenn es da ist, mal länger mal kürzer, dann bleibt eben diese Zeit stehen, nicht zu sagen, wie lange sie das tut.

Dies Männchen oder besser Weschen ist stumm und wie es einem die Zeit für Momente nimmt, raubt es einem die Sprache auch. So wie seiner und dessen einer Mund geschlossen ist, so groß sind seine Augen, unglaublich groß, ozeangroß und die Ohren auch, die Nase, alle Sinne, der Verstand, der gar nichts mehr weiß, weil so viel kommt da hinein in diesem Ewigkeitsmoment.

Das Weschen BAFF hat ganz krauses wildes Haar, kreuzquer wie die Allegedanken im Kopf des einen, dem es Gesellschaft leistet für Riesenaugenblicke. Und alle möglichen Farben und Eindrücke sind sein Kleidchen, ein Tohuwabohu, von dem sich nicht losreißen ist.

So nach und nach, die Uhr beginnt zu ticken, verschwindet das BAFF, so wie das Kreuz und das Quer langsam in eine Ordnung kommen und der eine die Worte wieder zu greifen bekommt. Die schönübertriebenen Farben von Gerade noch wollen in die Worte, die so eng sind für die Begegnung mit dem kleinen Weschen BAFF.

Das bis es wieder kommt, mit Bestimmtheit, hinterm Horizont verschwindet, die Welt sich wieder überlässt, seiner Zeit und den Worten, die es nicht festhalten konnten….das BAFF!

Ich hatte die letzte zeit so einige Momente, da mir das BAFF auf den Schultern saß. Wie angenehm war das Wirrwarr, die Freude in der Sprachlosigkeit, an die beide ich mich erst gewöhnen musste, ich gebe es zu. Jetzt, nachdem es so oft mich besuchte und mich verwuschelte, nenn ich es einen bei bester gelegenheit-Freund…….das nicht kommt, wenn man es erwartet, aber für es ein Plätzchen freihält

Danke BAFF……….Danke an die, die wissen, warum das BAFF auf meinen Schultern saß und ich für Momente keine Worte fand und dann später vielleicht nur weniger bunte.

Es nahte die Zeit von Holzfällerhemd und Bartwuchs: Weihnachten

Ich bleibe trotz allem männlich. Diese Phasen, dieses eigenartige Phänomen meiner Schwäche, das geht vorrüber. Oder versteckt sich tief tief in mir bis zum nächsten Ausbruch. Verschämt bedeutet nicht schlecht, es bedeutet „irgendwie unpassend“. Ich will glauben, es ist eine Einbildung. Ich wage mich mit diesem Bekenntnis sehr weit vor. Doch möglich, nur so werde ich die Scham los und kann, endlich frei, der Neigung nachgeben und rein genießen. Mich nicht mehr verstecken in Holzfällerhemden und hinter übertriebenem Bartwuchs, lieber offen annehmen meine feminine Seite.

Ich brülle es hinaus

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BRÜLLE !!!

Ich liebe die Sissi-Trilogie. Ich leide mit, vergieße heiße Tränen und verzehre dazu Gebäck.

Das Versteckspiel hat jetzt ein Ende. Dem Mädchen in mir will ich nicht mehr mit Härte begegnen und Ausspucken, mit Kratzen an sensiblen Stellen, wenn Sissi/Romy das erste Mal mit Franzl den Walzer tanzt. Ich werde schwelgen im 3/4-Takt, werde mich mit der jungen Kaiserin verbünden gegen die böse Schwiegermutter. Und wenn Sissi/Romy mit ihrem Franzl dann einmal in den Bergen einfach Mensch sein darf, fernab der strengen Hofetikette, werde ich selig sein. Und auch bedingungslos losschluchzen, wenn Sissi/Romy am Ende ihr kleines Töchterchen wieder in die Arme schließen darf.

(Kurze Pause: Entschuldigung, die Augen werden feucht, die Erinnerung übermannt mich……………………………………….es geht gleich wieder!)

Das Holzfällerhemd wird also abgelegt. Ich werde mich rasiert haben, wenn Sissi/Romi mich wieder besucht wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit. Beide werden wir uns ein wenig verlieben in Graf Andrassy. Nein, wir bleiben dem Franzl treu. Es war nur eine kleine Einsamkeit. Sissi/Romy bleibt rein wie jungfräulicher Schnee. So eine Jungfräulichkeit, die fühle ich in diesem Moment selbst (wieder).

Das Spucken und Kratzen kann dem nichts anhaben. Ein Bier könnte ich in diesem Moment sowieso nicht trinken.

(Der Tee ist gleich getrunken. Ich werde das hier jetzt beenden. Es geht zu nah.)

Und wenn es weiterginge an diesem Sonn- oder Feiertag, Sissi/Romy wie neben mir auf der Couch, da könnte ich mir vorstellen, anschließend noch mit ihr Modezeitschriften durchzublättern oder uns gegenseitig aus Liebesromanen vorzulesen, etwa aus N.Barreaus „Das Lächeln der Frauen“, den ich kenne und seinerzeit verschlungen habe, wie ich alles in mich hineinstopfe, was auf dem Cover einen Eifelturm und eine schöne Frau hat.

Das wäre ein schöner Nachmittag mit Sissi/Romy. Da ist nichts, wofür ich mich schämen müsste.

Nur bitte, liebe Leser, erzählt das nicht den Jungs. Das wäre wirklich spürbar beschämend – und schlecht.

(So liebe saetzebirgit, das war mein Beschämend, sogar ein Buch fand Erwähnung. Zufrieden? Musste ich soweit getrieben werden?)

(Zusatz 16:47Uhr: Geschrieben, während ich Fussball im Radio höre. Nur mal so, falls jemand für meine Person einen Ausgleich brauchen sollte.)

Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund? Lektion 7: die erste Große Pause nach den Sommerferien

Fassen Sie mal hierhin, an mein Herz! Das muss die Rührung sein. Wie stark es schlägt.

Sie kommen also noch? Da warte ich bereits. Seit Wochen. Und langsam ging so der Sommer in den Herbst über. Ohne mich zogen dieses Jahr die Vögel in den Süden. Hatten Sie angenommen, es wären Malerarbeiten in Gange? Stand irgendwo, nicht berühren, nicht eintreten? Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt? Man hat ganz was Feines vorbereitet, in meinem Sinne Erhebendes, Brillantes und Niemand kommt. Keiner, der einem an den Lippen hängt? Einer, mit Undankbarkeit und Verrat weniger vertraut als ich, wäre daran verzweifelt. Natürlich. In diesem Zimmer ganz alleine und nach der x-ten Wiederholung der einstudierten Rede und nirgendwo eine Playstation ging ich dazu über, an der Tafel mit der Kreide Tic-Tac-Toe und Schiffeversenken gegen mich selbst zu spielen. Ich stellte wiederum fest, auch darin unschlagbar zu sein.

Dann fiel mir erst letzten Freitag auf, dass mich wohl die gelegentlichen Teilnehmer anderer Kurse in diesem Raum nicht zu bemerken schienen. So vertieft waren sie in ihre Bastelarbeiten, in ihr Aquarellmalen und Saxophonblasen, dass für einen verlassenen Kursleiter keine Aufmerksamkeit übrigbleiben konnte. Nicht ihr Kurs, nicht ihr Lehrer, ein unwesentlicher Einrichtungsgegenstand. Sie fühlten sich nicht einmal gestört. Da wusste ich, mir fehlt etwas.

Ich bin ohne Sie nicht vorhanden. Sie sind der Kurs. Einer ist es nicht. Durch Sie entsteht erst die Poesie. In Ihrem Vernehmen und Aufnehmen. Allein ich und sie bleibt stumm. Und mein Bedürfnis nach Macht? An den Saxophonbläsern konnte ich sie nicht ausleben. Sie waren zu laut für meine Worte. Ein unpoetisches Instrument ist so ein Saxophon. Wie die gesamten 80er-Jahre unpoetisch gewesen sind.

Das Schlimmste war allerdings gewesen, ich hatte nichts zu lesen mitgenommen, nur einen IKEA-Katalog für eine Lektion, deren Inhalt mir mittlerweile entfallen ist. Nun, ja, natürlich, ich hätte mir selbst einen grandiosen Roman schreiben können. Die Zeit war da, die Gedanken und Einfälle sowieso. Nur ging die Kreide für die Tafelspiele drauf.

Nun sind Sie da, Ausgelernte, eine irrige Meinung, ich bemerke es, und schauen mich an, als hätten Sie mich hier nicht mehr erwartet. Aber ich bin es, noch immer.  Blieb da. Warum? Wegen der Liebe zur Lehre, zu Ihnen, meinen lieben Schülern. Es ist nicht das Geschickteste, das zu sagen, aber in einigen sah ich durchaus Potential. Jetzt, so viel Zeit ist vergangen, erinnere ich mich kaum noch an Ihre Gesichter.

Einmal hatte ich einen Sittich, Männlein oder Weiblein und wie alt, das weiß ich nicht mehr. In Erinnerung blieb mir nur, ich ließ in verdursten, ließ ihn zurück in dem Internat, auf das ich ging, und fuhr in die großen Ferien. Es ist ein ähnliches Gefühl für mich heute, so wie es der kleine Piepmatz damals gehabt haben musste: ich wäre verdurstet, hätte ich noch länger warten und darben müssen. Ist ein Kursleiter nicht so viel wert wie die Vögel in den Käfigen? Jetzt ist mir fast, ich bin gänzlich ausgetrocknet und ich kann nur krächzen, wo ich mit kraftvoller Stimme belehren möchte. Tun Sie das mir bitte nicht noch einmal an.

Hier an dieser Wand, sehen Sie, da hängen noch die von Ihnen geschriebenen Texte. Es finden sich durchaus Spuren von großem Talent darin. Und ich gab die Hoffnung auf, sie würden irgendwo hinführen. Jetzt könnten wir die Spur wieder aufnehmen, fortfahren mit dem, was so vielversprechend begann.

Wollen Sie fortfahren? Ja? Im Grunde ist da ja kein Fortfahren mehr. Kann sein, es wäre von vorne zu beginnen, Ihr poetisches Feuer neu zu entfachen. Es muss mittlerweile nur noch ein banges Glimmen sein. Warum nur sind Sie nicht gekommen? Was war all die Zeit, die Wochen, die ins Land zogen, so sehr viel wichtiger, als das, was Sie hier hätten lernen können? Wie? Das Leben? Gehen Sie mir weg mit Leben. Wollten Sie Schreiben lernen oder das Leben?

Sie fragen nach meinem Leben? Ich bin Kursleiter, schlecht bezahlter, ich habe keins. Ich habe Ideen, großartige, ich habe kein Leben. Vielleicht habe ich Ideen, weil ich keins habe. Würde ich sonst mir für jede Woche Neues ausdenken zur Gestaltung einer schönen Stunde für meine Schüler, Schülerinnen, alte Geschichten von verstorbenen Singvögeln erzählen, wenn ich heute ein Leben hätte. Ein Lehrer hat kein Leben, er hat seine Schüler. Die sollen es einmal besser haben.

Meinen Genius, ramponiert von den Strapazen der letzten Wochen, ich nehme Sie da durchaus in die Verantwortung, den opfere ich bereitwillig den Zukünftigen, Ihnen. Wollen wir zusammen versuchen den Weg weiterzugehen, um das Leben herum, große Ferien, große Pausen ignorierend, mitten hinein in die Poesie?

Nur geben Sie mir bitte erst ein Glas Wasser oder eine Tasse Tee. Mich dürstet. Und vielleicht lassen Sie mich eine Nacht nur schlafen und dann, gleich morgen oder nächste Woche, dann wollen wir den Weg wieder aufnehmen. Schauen wir, ob uns das möglich ist.

Jetzt will ich aber erst trinken, erst schlafen. Und, es sei mir gegönnt, von Candy Dulfer träumen.

(zu Lektion 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 100)

 

 

Dark side of the moon – Die Verführbarkeit des Herrn Hund in Gedanken

Im Meisten stark und fest, nur nicht in Gedanken. Ja, Flaneur! Gerne! Und dann eine Idee da, ein kurioser Einfall, ein Wortbild dort und ab vom Weg und aus dem Tritt.
Nicht richtig, aber ganz sicher zu schnell so oft im Denken. Oder Phantasieren, mir ist der Unterschied nicht klar.

Belysnaechte, du Hund. (Ich bleibe hier beim Du. Es passt so viel besser für einen Vorwurf) Du mit deinen Entwürfen, die alles zulassen, selbst Unmögliches. Sie springen mich an, ich springe zurück. Hinein in den poetischen Wust. Ein Wort allein reicht mir allzu oft. Ein ganzer Satz, ich bin gefährdet. Aus für Zeiten, in denen ich hätte Sinnvolles tun können, lese ich nur ein Gedicht im Ganzen.

Dichter können Vieles, aber sich schämen für die angerichtete Verwirrung? Nicht, solange sie Dichter sind.

Die vielen Keywords. Und ich bin angeregt. Es lässt mich nicht mehr los. Du bist ja schon weiter, doch ich folge Dir nicht für den Moment. Eine Idee gewann in mir Raum, hielt mich fest: Gibt es Vanille auf dem Mond?

Ab dem Moment springen bereits viele ab. Warum kann ich das nicht? Immer das Beweisen wollen. Das Überprüfen. Verdammte Neugier auch.

Genug Blech schnell sich ausgedacht. Schrauben und Schläuche waren einfach. Das mit dem Treibstoff und der Bordelektronik, das war heikel, gelang dann aber. Eine funktionierende Mannschaft bestand bereits. Abflug, leichter Nebel in Bodennähe, letzte Nacht. Zwei von Vieren verspürten ein Drücken in der Magengegend bei der Beschleunigung. Es legte sich. Überraschung. zum Mond ist es nicht so weit. Es war mir wohl eine sehr leistungsstarke Rakete gelungen. An Bordtoiletten dachte ich nicht.

Ankunft, die Menschheit ist bereits da gewesen. Wir hatten Termine und konnten erst jetzt. Die Schwerelosigkeit hatten wir unterschätzt, den Spass dabei auch. Sonst wären wir eher. Aber unser Grund für diese Fahrt ein ernster. Proben wurden genommen, an Ort und Stelle untersucht. Jeder von uns hatte einen eigenen Löffel dabei. Übereinstimmende Meinung: keine Vanille.

Dafür also der Aufwand. Für die mitgebrachte Sahne, für die Waffeln keine Verwendung. Das mit der Vanille wohl eine optische Täuschung.

Wäre da nicht die Rückseite gewesen. Jede Phantasie hat so eine. Der Mond auch. Da wir schonmal da waren. Das Marschgepäck war zu tragen. Ein Vorteil, wenn man auf dem Mond ist. Ein Vorteil, wenn man Phantasie hat: die Wege sind kürzer. Ein Augenzwinkern und wir waren da.

Sehr dunkel da. Wir hatten keine Kerzen, keine Streichhölzer, nichts. Doch wir hatten Nasen. Und wir rochen es. Nein, nicht Vanille. Pistazie, ohne Zusatzstoffe. Wenn es nicht so dunkel wäre, die Rückseite wäre grün. Das beste Pistazieneis der Welt, mitten im November. Wir alle lieben Pistazieneis. Viel besser als Vanille.

Wir bekamen Bauchweh. Zu viel davon. Wir rissen uns los, ein Augenzwinkern, wir waren wieder in unserer Rakete, ein zweites, wieder zuhause, beim dritten Mal war die Phantasie vorbei.

Und das Gedicht von Belysnaechte endlich überwunden. Nur jetzt habe ich großen Appetit auf Pistazieneis. Mitten im November.

Poesie und die Sehnsüchte, die sie bedient. Was ein Kreuz!

 

 

 

 

 

 

XVI. Kleine Katzen, große, Wildschweine und ein Lied gesummt.

Wir zogen in den Kampf. Also Komplettausrüstung, Faltsieb statt Fellohrmütze. Hinzu das Inkognito über dem Gesicht. Tischer frisch rasiert, ich selbst unrasiert. Mir verschaffte das ein wenig wildes Aussehen. Tischer ist naturwild.

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Das „Texte sind was für Luschen“ kam nicht einmal über seine Lippen. Es ging um wilde Katzen, nicht zwar in der Sonderanfertigung wie Tischer mit den ganzen Extras wie grenzenloser Mut, kompromisslose Wildheit und Schlafen, bis was passiert. Nein, aber das andere, schön, geschmeidig und instinktsicher hat sie und die Wildkatzensolidaritäterätätät ist gebongt.

Und dafür die Maske, Tischer nur zu erkennen an seiner Latzhose und seinem Charme. Ein wenig zittrig war ihm wohl, so ganz inmitten von lauter Texten. Aber das ist ja auch ein Mut, wenn man außerhalb seiner Elemente den Kampf annimmt. Tischer macht mich immer wieder stolz. Das „Geh nicht weg, bleib ja in meiner Nähe!“ hat er mir wirklich nur ganz zaghaft zugeflüstert. Ich bin sein Pansa und bleib. Und trag ihn durch die Elemente. Sofern es nicht Wasser mit Tiefe ist.

10270765_711666905577886_3822115176262989823_n(Übrigens, das nette Bild hat, ganz furchtlos, der ehrenwerte Herr Kienbaum gemacht und mir zur Verfügung gestellt. Ich schließe aus seiner Furchtlosigkeit auf jahrelange Safari-Erfahrung, kann mich aber irren. Ganz sicher weiß ich, für gute Bücher, da hat er einen Blick.)

In seinem Element hier wäre Marcel gewesen. So viele Bücher und gar nicht wissen, wo anfangen mit Schmökern und Versinken. Doch Marcel ist ein ruhiger, ein wenig scheu, ein ein wenig aus der Zeit geratener Poet eben. Und alle hätten ihn drücken wollen und er doch nur lesen. Tischer ist beim Gedrücktwerden robuster und Lesen ihm ja kein Hauptbedürfnis. Nun also, obwohl so ein schöner Buchladen Marcels Element wäre, das Kämpfen im Rudel ist es eher nicht. Tischer muss ich nur zurückhalten, sonst schnappt er sich die Ozelote und will gleich die ganze Stadt unterwerfen.

Tischer hielt sich vornehm zurück. Ein guter Tag. Mir hat er noch gestattet, ein Buch zu kaufen. Danke Tischer.

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Und dann bewies doch noch Marcel seinen Mut, zwei Tage später, denn er begab sich mit mir in die Wildnis. Tischer war an diesem Tag unabkömmlich. Er schlief. Es war ein Montag.

Marcel und ich, wir beide wollten einen guten Freund besuchen. Marcel nennt ihn liebevoll „Bruder Joachim“. Und auch dafür fand sich die passende Kopfbedeckung: Kutteldaddeldu-Pudelmützen-Imitate. Ja, wir machten uns auf den Weg zu Ringelnatz.

Ein wenig wild war es da, wie gesagt. Verwunschen. So gar keine geraden Wege. Ein Paradies für Wildschweine. Hier wurde es Marcel etwas zittrig zumute. Wildschweine, das sind die, die viel besser Trüffel finden und sich viel weniger daraus machen. Die rennen durch Büsche, da, wo gar kein Weg ist und graben um und um und um und um. Am Eingang der Hinweis „Bitte Tor geschlossen halten!“. Wir hielten es für nachvollziehbar und uns daran.

Und dann standen wir auf dem Friedhof, später Nachmittag

Eine Anmerkung: auch hier werden wie bei einer Messe die Stände, die Liegeplätze nach Nummern und Buchstaben geordnet. Das ist leicht, meinen Marcel und ich. Wir werden schnell hinfinden zu „Bruder Joachim“. Eine zweite Anmerkung jedoch: ein solcher Liegeplatz befindet sich nie am Ende einer geraden Linie. Das haben Messen Friedhöfen, wie einem solchen, voraus. Also die Folge: Wir verliefen uns erstmal. Nirgendwo ein Hinweisschild: bis zu Ringelnatz noch 200m, dann rechts abbiegen.

Zu dem Menschen, den man sucht sollte man auf anderem Weg kommen, nicht planmäßig. Wir wollten zu Ringelnatz. Für uns hieß das, langsam wurde es dunkel, zurück zum Ausgangspunkt, sich ein weiteres Mal den Weg einprägen -diesmal konzentrierter und nicht gleich stürmen-  und los.

Jetzt schnell gefunden (12-D-21). Der heikle Teil des Vorhabens stand an: La Paloma. Wir also die Mützen auf, Marcel die rote, ich die blaue. Die hatte ich mir leihen müssen von Madame. Für das nächste mal habe ich eine eigene, fest vorgenommen.

Die Köpfe präpariert, einigten wir uns auf eine Tonlage und begannen……zu summen, leise, ein wenig schamhaft, denn wir wissen nicht, ob man sowas darf auf einem Friedhof. Das Aktionsbündnis „Poetische Nasen“ hat mir in dem Punkt allerdings zugesichert, es würde Ihm gefallen. Das war für mich und Marcel ausschlaggebend. Der Kompromiss war da ein zwar leises, aber inniges Summen. Er wird es gehört haben.

Und weil wir gerade so überaus mutig zu Gange waren, wollte Marcel gleich ganz übermütig sein und sich offenbaren. Ich gehe davon aus, dass da noch mehr kommt an Offenbarungen und habe schon Angst davor, wenn nächstes Jahr wieder Marcels Nacktwochen anstehen. Jetzt aber, es ist November, nur Marcel im Kleide, mit roter Mütze, noch ganz erhitzt vom Summen für Bruder Joachim:

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Wildschweine zeigten sich übrigens keine. Tischer hätte das aber gefallen.

Das war unser Besuch bei Ringelnatz und Marcels Offenbarung. Danach ging es schnell nach Hause, Auf dem Weg dorthin unter eine warme Decke, zu einer heißen Tasse Tee und mein kleiner Poet zu seiner Muse, ließen wir das Olympiastadion links liegen. Das ist groß, klobig, uninteressant. Denn groß ist nur schön, wenn es die Nase von Ringelnatz ist, sowie schön ist das Kleinfeine seiner Poesie.

P.S. Das nächste jahr wird gesungen. Und Tischer geht dann auf Jagd.