Warum ich (wohl) auch dieses Jahr nicht den Nobelpreis bekam.

Sie sagen es mir nicht, schweigen sich aus. Wie aber kann ich es besser machen? All die Jahre kein Wort dazu, was ich unbedingt ändern muss, woran es liegt. Dass etwa nur ein Weniges fehlt, eine Kleinigkeit. Sie lassen mich im Dunkeln.

Ich bin einer, der braucht ein wenig Anleitung. Und gut kann ich mit Kritik umgehen. Sie aber sagen nichts. Nichts zu meinen Arbeiten in Physik, zu meinen Forschungen in Chemie, nichts zu meinen literarischen Werken. Was soll ich sagen, auch zu dem, was ich in der Medizin geleistet habe, oder eben nicht, kein Wort.

Diese Skandinavier sind sehr verschwiegen. Selbst dazu, wie man Schränke und Regale bauen soll, man solle sich selbst einen Reim darauf machen. Nur hier geht es um mich, meine Zukunft, meinen Platz in den Annalen. Ich brauche mehr, Konkretes. So komme ich nicht weiter.

Die Leute, ich spüre es, sie schauen mich an, Wieder nichts, der schafft es nie. Alle ziehen an ihm vorbei, jetzt erst dieser Kanadier. Er ist auch nicht mehr der Jüngste. Doch der legt nichts Weitreichendes mehr vor.

Das zermürbt. Ich überlege, ich sollte dem Komitee einen Brief schreiben. Ich locke sie aus der Reserve. Vielleicht liegt es wirklich daran, dass ich mehr so der stille Typ bin und aus meinen Leistungen in allen Bereichen kein großes Gewese mache. Das könnte sein.

Am Ende wären die ganz erstaunt und baff, wenn sie es nur wüssten. Und ich würde nachträglich die Preise, die mir zustehen, erhalten und der Kanadier müsste seinen Preis wieder zurückgeben. Genau, weil ich stets schweige, deswegen ist es nie was geworden.

Obwohl, kann ich ausschließen, dass die trotzdem auch in Zukunft nicht an mich denken, weil es einfach besser ist und so keinen allgemeinen Unmut gibt, wenn man mich übergeht und die Preise weiterhin gleichmäßig verteilt, anstatt nur dem einem, mir. Werde ich also wegen der Harmonie und des Weltgleichgewichts ignoriert, nicht wegen fehlender Leistungen und umfassender Werke.

Wenn es so wäre, dann, um des lieben Friedens Willen, werde ich auch zukünftig darauf verzichten.

Und selbst diesen einen Preis, der dann wirklich wirklich mir nicht auszuschlagen wäre, in aller Bescheidenheit, wohl wissend, es ist besser so, ablehnen.

Falls das Jemanden ihnen sagen könnte, Vielen Dank. Ich bin zu diesem Opfer bereit.

Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund. Lektion 11 – fällt aus.

Party fällt aus

Ein wenig traurig war ich schon. Das Besondere wurde nicht angenommen. Der Blick auf’s schwarze Brett. Selbst für die gebrauchte Tuba wurden Telefonnummern in Streifen abgerissen, P.S. einer kann noch anrufen, ein Streifen ist noch übrig.

Aber gleich darüber, mein Aushang, meine Liste, die blieb unberührt. Nicht einmal angeknabbert hängt noch immer der Bleistiftstummel am Pin. Das Wichtigste will keiner lernen? Ich hab das mal hochgerechnet, einige könnten ganz gute Zahlen erreichen. es sollte für die Miete zzgl. Nebenkosten und warme Mahlzeiten schon reichen; will sagen, die Texte sind durchaus verkaufbar. Ein klein wenig wäre zu tun dafür.

Das wollte ich anbieten. Ich hatte mir für meine Schüler was ausgedacht. mal was Anderes und doch Bekanntes: Klassenfahrt. Ihr seid alle alt genug, also ohne Erziehungsberechtigte. Obwohl, das hätte ich jedem selbst überlassen. Wird jetzt nichts draus, keine einzige Unterschrift. Sah euch bereits, die lange Busfahrt herumbalgen, scherzen, die mitgebrachten Sunkisten und Lyonerbrötchen trinken und verschlingen, zwei bis drei Stopps für die Leichtblasigen.

Schade.

Und am Ziel hätten Jenny und Clemens uns in Empfang genommen. Die sind schon ein wenig weiter als ihr, nicht viel. Die wissen, wie’s geht. Hätten euch herumgeführt, mit euch ein paar Verkaufsspiele gemacht, Lesungen geübt. Wie man Widmungen schreibt ist auch wichtig, das habe ich euch noch gar nicht gezeigt. Die Obstkisten für einen vorzeigbaren Stand waren bereits organisiert. Dass man als Verlierer trotzdem einen guten Schnitt machen kann, hätte Clemens zeigen können und abends auf der Gitarre gespielt. Wir hätten zusammen Lieder gesungen, den Abend ausklingen lassen, so ein Verkaufstag ist anstrengend.

Und der nächste Tag zur freien Verfügung. Vielleicht, dass ihr selber einmal loszieht und schaut, was geht. Allein zur Übung. Ich weiß, ihr seid noch nicht soweit. Doch ihr hättet einmal sehen können, wie sich das anfühlt, hättet vielleicht Spass daran gefunden, dem ein oder anderen hätte es zusätzlichen Auftrieb geben können, sich in dem Tumult durchzusetzen.

Es wäre jedenfalls, mein Einfall, eine gute Übung gewesen. Woran liegt’s, dass ich jetzt also allein fahre, ich hab ja Termine, ich muss mich da zeigen, glaube, die würden ohne mich nicht anfangen? Ist der Schritt zu groß, die Scheu? Ihr habt sicherlich das Potential, das kann es also nicht sein. Was ist es dann? Die lange Busfahrt, die fremde Stadt. Als Autoren dürftet ihr keine Angst vor dem Fremden haben, im Gegenteil, wer schreibt, macht sich die Dinge zu eigen.

Ich komme nicht drauf. Helft mir mal. Habe ich etwas übersehen? Auf Augenhöhe, klar und deutlich in DIN A4 und euer Name hätte gereicht. Zwei Tage investieren für eure Zukunft. Eure Chefs hätten das verstanden. Und wenn nicht, ihr müsst rebellieren, euch auflehnen. Dachte, das wäre euch wichtig. Wegen den Kosten, wir hätten eine Lösung gefunden. Es gibt auch für diesen Kurs, mit allem, was dranhängt, Stipendien.

Leider, es wird also nichts draus. Diese Lektion fällt aus.

Ich darf nur nicht vergessen, Jenny und Clemens noch Bescheid zu geben. Die hatten sich den Tag mit euch freigehalten. Ist ja nicht so, dass die nichts anderes zu tun hätten.

In Frankfurt.

Lektion 10 – Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund … mit einer Banane

Lachen Sie etwa? Sie meinen, das ist jetzt albern? Ist es nicht, ist es ganz und gar nicht. Es ist vielmehr das Wichtigste, das Sie zu verstehen haben, um irgendwann einmal schreiben zu können wie ihr Kursleiter: denn es ist ganz egal, ob Sie mit einem goldenen Montblanc-Füller oder mit Obstsalat schreiben wollen. Das bleibt Ihnen überlassen.

Ich als Ihr bezahlter Kursleiter, als Ihr Vorbild und Maßstab, als derjenige, dessen Urteil Sie ver- und annehmen sollten, Verdammtnochmal, wer hat da gerade gekichert?, der sagt Ihnen, es zählen allein Wille und Phantasie.

Disziplin? Nein, die weniger.

Zeit? Nein, denn wozu sollte es sonst Lyrik geben.

Können? Nun ja, aber nein.

Und eben auch nicht ein Schreibgerät oder die passende Schreibunterlage. Das sind Nebensächlichkeiten. Es fügt, außer ein Aroma und einen Geschmack, Ihrem Werk nichts Relevantes hinzu, schreiben Sie mit einem Apfelstrudel oder einer Streichwurst.

Warum stehen Sie auf? Ah, Toilette, gut gut. Für einen Moment dachte ich, dass ich hiermit, der zehnten Lektion, den Bogen überspannt hätte. Aber Herrschaften, das ist wichtig. Das ist kein Monty-Python-Scherz, Licht aus und Film ab bitte:

Bitte wieder das Licht an. Danke.

Also nein, dieser Kurs wird nicht immer blödsinniger. Im Grunde fängt er mit dieser Lektion erst an, hilfreich zu werden. Sie dürften sich mittlerweile an meine Art gewöhnt haben. Sie sollten jetzt ein Verständnis haben. Sie sollten jetzt bereit sein, Schüler zu sein. Alles zuvor, das waren Kindereien.

Sie meinen, Sie hätten durchaus schon einiges gelernt. Ja ja, um Schüler zu sein, natürlich. Jetzt gehen wir gemeinsam, Lehrer und Schüler, bis an ein Ziel, an dem ich, hoffentlich, jeden von Ihnen in eine literarische Welt entlassen kann, in der sie als Autoren überleben können und in Blogs besprochen werden.

Und das werden Sie eben nur, wenn Sie mit einer Banane oder, von mir aus, einem installierten Softwareprogramm für Bestsellerautoren umgehen können. Was Ihnen angenehmer ist, finden Sie es heraus. Nur, um das aber noch einmal klarzustellen, es ist

N-E-B-E-N-S-Ä-C-H-L-I-C-H,

ob es mit einer Bratkartoffel oder mit Federkiel und Tinte geschrieben ist. Wille und Phantasie führen die Hand.

Deswegen habe ich hier jetzt verschiedene Lebensmittel mitgebracht. Und jeder soll sich eines nehmen und die nächste halbe Stunde eine kurze Geschichte oder ein Gedicht verfassen. Enttäuschen Sie mich nicht, denn für Sie ist mein Kühlschrank jetzt leer.

Finden wir also heraus, wieviel Wille und Phantasie in Ihnen zu finden ist. Obwohl ein wenig Geschmack und Aroma, das ist vielleicht nicht das Schlechteste an so einem Text.

Na jedenfalls, Viel Glück und Guten Appetit. Ich bin dann mal und such mir einen Apfelkuchen. Den allerdings nicht zum Schreiben.

Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund? Lektion 7: die erste Große Pause nach den Sommerferien

Fassen Sie mal hierhin, an mein Herz! Das muss die Rührung sein. Wie stark es schlägt.

Sie kommen also noch? Da warte ich bereits. Seit Wochen. Und langsam ging so der Sommer in den Herbst über. Ohne mich zogen dieses Jahr die Vögel in den Süden. Hatten Sie angenommen, es wären Malerarbeiten in Gange? Stand irgendwo, nicht berühren, nicht eintreten? Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt? Man hat ganz was Feines vorbereitet, in meinem Sinne Erhebendes, Brillantes und Niemand kommt. Keiner, der einem an den Lippen hängt? Einer, mit Undankbarkeit und Verrat weniger vertraut als ich, wäre daran verzweifelt. Natürlich. In diesem Zimmer ganz alleine und nach der x-ten Wiederholung der einstudierten Rede und nirgendwo eine Playstation ging ich dazu über, an der Tafel mit der Kreide Tic-Tac-Toe und Schiffeversenken gegen mich selbst zu spielen. Ich stellte wiederum fest, auch darin unschlagbar zu sein.

Dann fiel mir erst letzten Freitag auf, dass mich wohl die gelegentlichen Teilnehmer anderer Kurse in diesem Raum nicht zu bemerken schienen. So vertieft waren sie in ihre Bastelarbeiten, in ihr Aquarellmalen und Saxophonblasen, dass für einen verlassenen Kursleiter keine Aufmerksamkeit übrigbleiben konnte. Nicht ihr Kurs, nicht ihr Lehrer, ein unwesentlicher Einrichtungsgegenstand. Sie fühlten sich nicht einmal gestört. Da wusste ich, mir fehlt etwas.

Ich bin ohne Sie nicht vorhanden. Sie sind der Kurs. Einer ist es nicht. Durch Sie entsteht erst die Poesie. In Ihrem Vernehmen und Aufnehmen. Allein ich und sie bleibt stumm. Und mein Bedürfnis nach Macht? An den Saxophonbläsern konnte ich sie nicht ausleben. Sie waren zu laut für meine Worte. Ein unpoetisches Instrument ist so ein Saxophon. Wie die gesamten 80er-Jahre unpoetisch gewesen sind.

Das Schlimmste war allerdings gewesen, ich hatte nichts zu lesen mitgenommen, nur einen IKEA-Katalog für eine Lektion, deren Inhalt mir mittlerweile entfallen ist. Nun, ja, natürlich, ich hätte mir selbst einen grandiosen Roman schreiben können. Die Zeit war da, die Gedanken und Einfälle sowieso. Nur ging die Kreide für die Tafelspiele drauf.

Nun sind Sie da, Ausgelernte, eine irrige Meinung, ich bemerke es, und schauen mich an, als hätten Sie mich hier nicht mehr erwartet. Aber ich bin es, noch immer.  Blieb da. Warum? Wegen der Liebe zur Lehre, zu Ihnen, meinen lieben Schülern. Es ist nicht das Geschickteste, das zu sagen, aber in einigen sah ich durchaus Potential. Jetzt, so viel Zeit ist vergangen, erinnere ich mich kaum noch an Ihre Gesichter.

Einmal hatte ich einen Sittich, Männlein oder Weiblein und wie alt, das weiß ich nicht mehr. In Erinnerung blieb mir nur, ich ließ in verdursten, ließ ihn zurück in dem Internat, auf das ich ging, und fuhr in die großen Ferien. Es ist ein ähnliches Gefühl für mich heute, so wie es der kleine Piepmatz damals gehabt haben musste: ich wäre verdurstet, hätte ich noch länger warten und darben müssen. Ist ein Kursleiter nicht so viel wert wie die Vögel in den Käfigen? Jetzt ist mir fast, ich bin gänzlich ausgetrocknet und ich kann nur krächzen, wo ich mit kraftvoller Stimme belehren möchte. Tun Sie das mir bitte nicht noch einmal an.

Hier an dieser Wand, sehen Sie, da hängen noch die von Ihnen geschriebenen Texte. Es finden sich durchaus Spuren von großem Talent darin. Und ich gab die Hoffnung auf, sie würden irgendwo hinführen. Jetzt könnten wir die Spur wieder aufnehmen, fortfahren mit dem, was so vielversprechend begann.

Wollen Sie fortfahren? Ja? Im Grunde ist da ja kein Fortfahren mehr. Kann sein, es wäre von vorne zu beginnen, Ihr poetisches Feuer neu zu entfachen. Es muss mittlerweile nur noch ein banges Glimmen sein. Warum nur sind Sie nicht gekommen? Was war all die Zeit, die Wochen, die ins Land zogen, so sehr viel wichtiger, als das, was Sie hier hätten lernen können? Wie? Das Leben? Gehen Sie mir weg mit Leben. Wollten Sie Schreiben lernen oder das Leben?

Sie fragen nach meinem Leben? Ich bin Kursleiter, schlecht bezahlter, ich habe keins. Ich habe Ideen, großartige, ich habe kein Leben. Vielleicht habe ich Ideen, weil ich keins habe. Würde ich sonst mir für jede Woche Neues ausdenken zur Gestaltung einer schönen Stunde für meine Schüler, Schülerinnen, alte Geschichten von verstorbenen Singvögeln erzählen, wenn ich heute ein Leben hätte. Ein Lehrer hat kein Leben, er hat seine Schüler. Die sollen es einmal besser haben.

Meinen Genius, ramponiert von den Strapazen der letzten Wochen, ich nehme Sie da durchaus in die Verantwortung, den opfere ich bereitwillig den Zukünftigen, Ihnen. Wollen wir zusammen versuchen den Weg weiterzugehen, um das Leben herum, große Ferien, große Pausen ignorierend, mitten hinein in die Poesie?

Nur geben Sie mir bitte erst ein Glas Wasser oder eine Tasse Tee. Mich dürstet. Und vielleicht lassen Sie mich eine Nacht nur schlafen und dann, gleich morgen oder nächste Woche, dann wollen wir den Weg wieder aufnehmen. Schauen wir, ob uns das möglich ist.

Jetzt will ich aber erst trinken, erst schlafen. Und, es sei mir gegönnt, von Candy Dulfer träumen.

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