Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund. Lektion 11 – fällt aus.

Party fällt aus

Ein wenig traurig war ich schon. Das Besondere wurde nicht angenommen. Der Blick auf’s schwarze Brett. Selbst für die gebrauchte Tuba wurden Telefonnummern in Streifen abgerissen, P.S. einer kann noch anrufen, ein Streifen ist noch übrig.

Aber gleich darüber, mein Aushang, meine Liste, die blieb unberührt. Nicht einmal angeknabbert hängt noch immer der Bleistiftstummel am Pin. Das Wichtigste will keiner lernen? Ich hab das mal hochgerechnet, einige könnten ganz gute Zahlen erreichen. es sollte für die Miete zzgl. Nebenkosten und warme Mahlzeiten schon reichen; will sagen, die Texte sind durchaus verkaufbar. Ein klein wenig wäre zu tun dafür.

Das wollte ich anbieten. Ich hatte mir für meine Schüler was ausgedacht. mal was Anderes und doch Bekanntes: Klassenfahrt. Ihr seid alle alt genug, also ohne Erziehungsberechtigte. Obwohl, das hätte ich jedem selbst überlassen. Wird jetzt nichts draus, keine einzige Unterschrift. Sah euch bereits, die lange Busfahrt herumbalgen, scherzen, die mitgebrachten Sunkisten und Lyonerbrötchen trinken und verschlingen, zwei bis drei Stopps für die Leichtblasigen.

Schade.

Und am Ziel hätten Jenny und Clemens uns in Empfang genommen. Die sind schon ein wenig weiter als ihr, nicht viel. Die wissen, wie’s geht. Hätten euch herumgeführt, mit euch ein paar Verkaufsspiele gemacht, Lesungen geübt. Wie man Widmungen schreibt ist auch wichtig, das habe ich euch noch gar nicht gezeigt. Die Obstkisten für einen vorzeigbaren Stand waren bereits organisiert. Dass man als Verlierer trotzdem einen guten Schnitt machen kann, hätte Clemens zeigen können und abends auf der Gitarre gespielt. Wir hätten zusammen Lieder gesungen, den Abend ausklingen lassen, so ein Verkaufstag ist anstrengend.

Und der nächste Tag zur freien Verfügung. Vielleicht, dass ihr selber einmal loszieht und schaut, was geht. Allein zur Übung. Ich weiß, ihr seid noch nicht soweit. Doch ihr hättet einmal sehen können, wie sich das anfühlt, hättet vielleicht Spass daran gefunden, dem ein oder anderen hätte es zusätzlichen Auftrieb geben können, sich in dem Tumult durchzusetzen.

Es wäre jedenfalls, mein Einfall, eine gute Übung gewesen. Woran liegt’s, dass ich jetzt also allein fahre, ich hab ja Termine, ich muss mich da zeigen, glaube, die würden ohne mich nicht anfangen? Ist der Schritt zu groß, die Scheu? Ihr habt sicherlich das Potential, das kann es also nicht sein. Was ist es dann? Die lange Busfahrt, die fremde Stadt. Als Autoren dürftet ihr keine Angst vor dem Fremden haben, im Gegenteil, wer schreibt, macht sich die Dinge zu eigen.

Ich komme nicht drauf. Helft mir mal. Habe ich etwas übersehen? Auf Augenhöhe, klar und deutlich in DIN A4 und euer Name hätte gereicht. Zwei Tage investieren für eure Zukunft. Eure Chefs hätten das verstanden. Und wenn nicht, ihr müsst rebellieren, euch auflehnen. Dachte, das wäre euch wichtig. Wegen den Kosten, wir hätten eine Lösung gefunden. Es gibt auch für diesen Kurs, mit allem, was dranhängt, Stipendien.

Leider, es wird also nichts draus. Diese Lektion fällt aus.

Ich darf nur nicht vergessen, Jenny und Clemens noch Bescheid zu geben. Die hatten sich den Tag mit euch freigehalten. Ist ja nicht so, dass die nichts anderes zu tun hätten.

In Frankfurt.

Lektion 10 – Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund … mit einer Banane

Lachen Sie etwa? Sie meinen, das ist jetzt albern? Ist es nicht, ist es ganz und gar nicht. Es ist vielmehr das Wichtigste, das Sie zu verstehen haben, um irgendwann einmal schreiben zu können wie ihr Kursleiter: denn es ist ganz egal, ob Sie mit einem goldenen Montblanc-Füller oder mit Obstsalat schreiben wollen. Das bleibt Ihnen überlassen.

Ich als Ihr bezahlter Kursleiter, als Ihr Vorbild und Maßstab, als derjenige, dessen Urteil Sie ver- und annehmen sollten, Verdammtnochmal, wer hat da gerade gekichert?, der sagt Ihnen, es zählen allein Wille und Phantasie.

Disziplin? Nein, die weniger.

Zeit? Nein, denn wozu sollte es sonst Lyrik geben.

Können? Nun ja, aber nein.

Und eben auch nicht ein Schreibgerät oder die passende Schreibunterlage. Das sind Nebensächlichkeiten. Es fügt, außer ein Aroma und einen Geschmack, Ihrem Werk nichts Relevantes hinzu, schreiben Sie mit einem Apfelstrudel oder einer Streichwurst.

Warum stehen Sie auf? Ah, Toilette, gut gut. Für einen Moment dachte ich, dass ich hiermit, der zehnten Lektion, den Bogen überspannt hätte. Aber Herrschaften, das ist wichtig. Das ist kein Monty-Python-Scherz, Licht aus und Film ab bitte:

Bitte wieder das Licht an. Danke.

Also nein, dieser Kurs wird nicht immer blödsinniger. Im Grunde fängt er mit dieser Lektion erst an, hilfreich zu werden. Sie dürften sich mittlerweile an meine Art gewöhnt haben. Sie sollten jetzt ein Verständnis haben. Sie sollten jetzt bereit sein, Schüler zu sein. Alles zuvor, das waren Kindereien.

Sie meinen, Sie hätten durchaus schon einiges gelernt. Ja ja, um Schüler zu sein, natürlich. Jetzt gehen wir gemeinsam, Lehrer und Schüler, bis an ein Ziel, an dem ich, hoffentlich, jeden von Ihnen in eine literarische Welt entlassen kann, in der sie als Autoren überleben können und in Blogs besprochen werden.

Und das werden Sie eben nur, wenn Sie mit einer Banane oder, von mir aus, einem installierten Softwareprogramm für Bestsellerautoren umgehen können. Was Ihnen angenehmer ist, finden Sie es heraus. Nur, um das aber noch einmal klarzustellen, es ist

N-E-B-E-N-S-Ä-C-H-L-I-C-H,

ob es mit einer Bratkartoffel oder mit Federkiel und Tinte geschrieben ist. Wille und Phantasie führen die Hand.

Deswegen habe ich hier jetzt verschiedene Lebensmittel mitgebracht. Und jeder soll sich eines nehmen und die nächste halbe Stunde eine kurze Geschichte oder ein Gedicht verfassen. Enttäuschen Sie mich nicht, denn für Sie ist mein Kühlschrank jetzt leer.

Finden wir also heraus, wieviel Wille und Phantasie in Ihnen zu finden ist. Obwohl ein wenig Geschmack und Aroma, das ist vielleicht nicht das Schlechteste an so einem Text.

Na jedenfalls, Viel Glück und Guten Appetit. Ich bin dann mal und such mir einen Apfelkuchen. Den allerdings nicht zum Schreiben.

Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund? Lektion 9: Auto(r)mat

Mein Nachbar kann löten, ich schreib ihm Briefe und Grußpostkarten, Es war naheliegend, dass er mir bei der Umsetzung meines Plans helfen würde.

Irgendwann, Herrschaften, muss man sich entscheiden, entweder ein sehr guter Autor zu sein oder löten zu können. Für mich war das damals kein Thema. Und um ein wirklich, wirklich guter Autor zu werden, verzichtete ich auch gleich auf das Schrauben. Also sehr sehr gut und anbetungswürdig schreiben ja, löten und schrauben nein. An den Texten von einigen von Ihnen habe ich schon vor längerer Zeit erkannt, das sind Löter und Schrauber. Die Qualität war entsprechend zweideutig. Denjenigen kann ich nur raten, suchen Sie therapeutische Hilfe. Es ist möglich, aber ein steiniger Weg.

Sie müssen wissen, bedeutsame Autoren sind noch nie in der Lage gewesen, eine Glühbirne einzudrehen. Ein Dichter ist mir im Baumarkt noch nie begegnet. Weil ich natürlich selbst dort nie anzutreffen bin. Hemingway soll einmal etwas geschnitzt haben. ich halte das für Legende. Hesse soll in Indien das Töpfern gelernt haben. Wenn es stimmt, haben seine Texte sehr darunter gelitten. Den Nobelpreis hätte er später nicht mehr bekommen dürfen.

Ich aber will und werde ihn bekommen und bin zu diesem leichten Opfer schon immer bereit. Mir kommt keine Keramik dazwischen, Baumärkte umfahre ich weitläufig. Es fehlt zum Ziel nicht mehr viel.

Es gab diese Episode in meinem Leben, da hatte ich mich im Urlaub von einem ambitionierten Animateur zum Korbflechten überreden lassen. Was soll ich sagen, die Texte, unmittelbar nach dem Urlaub verfasst, waren schlichtweg Scheiße. Ein unrühmliches, doch zum Glück kurzes Kapitel.

Eines will ich nicht verschweigen: es kann die Zeit kommen, da wird man einen Partner haben, die Phase der Liebesgedichte ist längst passé, er/sie will stattdessen, dass man beim Montieren des IKEA-Regals hilft. Da wird Geschick erforderlich sein, um sich aus dieser Situation hinauszumanövrieren und doch den Partner zu behalten. Mein Glück damals ist gewesen, von einem befreundeten Arzt ein entsprechendes Attest bekommen zu haben: Dichter, chronisch. Da ließ sie mich in Ruhe, schaute mich nur gelegentlich ganz mitleidsvoll an. Ich hab das nie verstanden. Das mit dem Regal hat sie übrigens ganz gut allein hinbekommen, Transport und Montage.

Und weil ich also Text-, kein Handwerker bin, mein Nachbar aber schon, war mein Beitrag der Plan, denn in der Theorie kann ein Autor alles. Er war bereit, weil er wusste, er war mir etwas schuldig. Viele Briefe an Sophie, Gerda, Monika und das Finanzamt hatte ich für ihn geschrieben; die Grußkarten vom Gardasee und von Usedom und die zu den Festtagen Ostern und Weihnachten waren stets ein voller Erfolg gewesen.

Arbeitsteilung.

Wir schlossen uns ein. Ich erzählte ihm, beschrieb die notwendigen Schritte, zitierte koreanische Betriebsanleitungen. Und er lötete. Einige Kannen Kaffee wurden geleert. Wir haben uns nicht rasiert, nicht die Kleidung gewechselt und nur sehr wenig geschlafen. Im März hatten wir begonnen. An Ostern schüttelte ich mir kurz einen Postkartengruß für seine Familie aus dem Ärmel, Anfang Mai waren wir fertig. Gottseidank, denn der Lötzinn war alle.

Das war die Hardware, ich machte mich zugleich daran, die Software zu installieren. Die Werke der Autoren, die ich gelten ließ, sprach ich über ein Mikrophon ein: den gesamten Shakespeare, Henry James, Tim & Struppi und der Sonnentempel etc.. Auch einige „Jugendsünden“ von mir selbst würden Teil des Programms sein. Mein erstes Da-Da-Gedicht mit eineinhalb etwa; ich schlug danach zwar einen komplett anderen Weg ein, mehr ernsthaft, doch wollte ich es nicht ignorieren. Es war gut genug. Dieser Autormat sollte meine Fähigkeiten, mein Vermögen weitest gehend lückenlos in seinem Speicher haben, damit er in Abwesenheit meiner Person mich würde gänzlich vertreten können.

Und er funktionierte. Ein paar Kabel und irgendwelche Chips, der Schlauch von einer alten Waschmaschine, eine Kuckucksuhr, Holz und Pappe, und ein verrostetes Fahrrad. Ein wenig dachte ich anfangs schon, das klappt nie. Doch hatte ich wohl mehr als nur dieses eine augenscheinliche Talent.

Diese Apparatur wird mich also vertreten. Sie müssen wissen, mein Terminplan ist voll. Nicht immer werde ich hier vorne stehen können. Lesungen, Vorträge, das Freibad, das seit letztem Wochenende wieder geöffnet hat. Termine. Sie können sich aber darauf verlassen, es wird Ihnen nicht zum Nachteil sein. Die Kursgebühren bleiben allerdings die gleichen.

Eine Sache noch zum Antrieb. Mir war bei der Umsetzung des Plans Nachhaltigkeit sehr wichtig. Uranbrennstäbe, Diesel oder Duracell-Batterien kamen nicht in Frage. Sie sollten in ökologisch freundlicher Atmosphäre lernen. Deshalb kam ich auf die Idee, den Apparat durch Menschenkraft anzutreiben. Auf diesem Fahrrad wird einer von Ihnen Platz nehmen und für die Dauer einer Kursstunde in die Pedale treten. Die Kraft überträgt sich über diese Riemen, ein Blasebalg kommt dadurch in Gang, der Autormat beginnt zu sprechen. Wechseln Sie sich am besten ab, jede Woche ein anderer.

Doch bleiben Sie stets in einem angemessenen Tempo. Zu langsam, zu schnell der Vortrag und sogar Shakespeare verliert an Ausdruck und Ernst. Lernen Sie poetisches Gleichmaß durch Treten. Eine gute Übung sicherlich.

Ich will nicht zu oft fehlen. Das Menschliche ist am Ende zu wichtig. Eine Maschine wie diese wird niemals ganz mich ersetzen können. Da sind Kleinigkeiten, Zwischentöne, kaum wahrnehmbar, doch machen sie den Unterschied aus. Es ist ein Behelf, nichts mehr. Und wahrscheinlich nur ich selbst hätte so eine Maschine entwerfen können.

Löten tun andere.

Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund? Lektion 7: die erste Große Pause nach den Sommerferien

Fassen Sie mal hierhin, an mein Herz! Das muss die Rührung sein. Wie stark es schlägt.

Sie kommen also noch? Da warte ich bereits. Seit Wochen. Und langsam ging so der Sommer in den Herbst über. Ohne mich zogen dieses Jahr die Vögel in den Süden. Hatten Sie angenommen, es wären Malerarbeiten in Gange? Stand irgendwo, nicht berühren, nicht eintreten? Können Sie sich vorstellen, wie sich das anfühlt? Man hat ganz was Feines vorbereitet, in meinem Sinne Erhebendes, Brillantes und Niemand kommt. Keiner, der einem an den Lippen hängt? Einer, mit Undankbarkeit und Verrat weniger vertraut als ich, wäre daran verzweifelt. Natürlich. In diesem Zimmer ganz alleine und nach der x-ten Wiederholung der einstudierten Rede und nirgendwo eine Playstation ging ich dazu über, an der Tafel mit der Kreide Tic-Tac-Toe und Schiffeversenken gegen mich selbst zu spielen. Ich stellte wiederum fest, auch darin unschlagbar zu sein.

Dann fiel mir erst letzten Freitag auf, dass mich wohl die gelegentlichen Teilnehmer anderer Kurse in diesem Raum nicht zu bemerken schienen. So vertieft waren sie in ihre Bastelarbeiten, in ihr Aquarellmalen und Saxophonblasen, dass für einen verlassenen Kursleiter keine Aufmerksamkeit übrigbleiben konnte. Nicht ihr Kurs, nicht ihr Lehrer, ein unwesentlicher Einrichtungsgegenstand. Sie fühlten sich nicht einmal gestört. Da wusste ich, mir fehlt etwas.

Ich bin ohne Sie nicht vorhanden. Sie sind der Kurs. Einer ist es nicht. Durch Sie entsteht erst die Poesie. In Ihrem Vernehmen und Aufnehmen. Allein ich und sie bleibt stumm. Und mein Bedürfnis nach Macht? An den Saxophonbläsern konnte ich sie nicht ausleben. Sie waren zu laut für meine Worte. Ein unpoetisches Instrument ist so ein Saxophon. Wie die gesamten 80er-Jahre unpoetisch gewesen sind.

Das Schlimmste war allerdings gewesen, ich hatte nichts zu lesen mitgenommen, nur einen IKEA-Katalog für eine Lektion, deren Inhalt mir mittlerweile entfallen ist. Nun, ja, natürlich, ich hätte mir selbst einen grandiosen Roman schreiben können. Die Zeit war da, die Gedanken und Einfälle sowieso. Nur ging die Kreide für die Tafelspiele drauf.

Nun sind Sie da, Ausgelernte, eine irrige Meinung, ich bemerke es, und schauen mich an, als hätten Sie mich hier nicht mehr erwartet. Aber ich bin es, noch immer.  Blieb da. Warum? Wegen der Liebe zur Lehre, zu Ihnen, meinen lieben Schülern. Es ist nicht das Geschickteste, das zu sagen, aber in einigen sah ich durchaus Potential. Jetzt, so viel Zeit ist vergangen, erinnere ich mich kaum noch an Ihre Gesichter.

Einmal hatte ich einen Sittich, Männlein oder Weiblein und wie alt, das weiß ich nicht mehr. In Erinnerung blieb mir nur, ich ließ in verdursten, ließ ihn zurück in dem Internat, auf das ich ging, und fuhr in die großen Ferien. Es ist ein ähnliches Gefühl für mich heute, so wie es der kleine Piepmatz damals gehabt haben musste: ich wäre verdurstet, hätte ich noch länger warten und darben müssen. Ist ein Kursleiter nicht so viel wert wie die Vögel in den Käfigen? Jetzt ist mir fast, ich bin gänzlich ausgetrocknet und ich kann nur krächzen, wo ich mit kraftvoller Stimme belehren möchte. Tun Sie das mir bitte nicht noch einmal an.

Hier an dieser Wand, sehen Sie, da hängen noch die von Ihnen geschriebenen Texte. Es finden sich durchaus Spuren von großem Talent darin. Und ich gab die Hoffnung auf, sie würden irgendwo hinführen. Jetzt könnten wir die Spur wieder aufnehmen, fortfahren mit dem, was so vielversprechend begann.

Wollen Sie fortfahren? Ja? Im Grunde ist da ja kein Fortfahren mehr. Kann sein, es wäre von vorne zu beginnen, Ihr poetisches Feuer neu zu entfachen. Es muss mittlerweile nur noch ein banges Glimmen sein. Warum nur sind Sie nicht gekommen? Was war all die Zeit, die Wochen, die ins Land zogen, so sehr viel wichtiger, als das, was Sie hier hätten lernen können? Wie? Das Leben? Gehen Sie mir weg mit Leben. Wollten Sie Schreiben lernen oder das Leben?

Sie fragen nach meinem Leben? Ich bin Kursleiter, schlecht bezahlter, ich habe keins. Ich habe Ideen, großartige, ich habe kein Leben. Vielleicht habe ich Ideen, weil ich keins habe. Würde ich sonst mir für jede Woche Neues ausdenken zur Gestaltung einer schönen Stunde für meine Schüler, Schülerinnen, alte Geschichten von verstorbenen Singvögeln erzählen, wenn ich heute ein Leben hätte. Ein Lehrer hat kein Leben, er hat seine Schüler. Die sollen es einmal besser haben.

Meinen Genius, ramponiert von den Strapazen der letzten Wochen, ich nehme Sie da durchaus in die Verantwortung, den opfere ich bereitwillig den Zukünftigen, Ihnen. Wollen wir zusammen versuchen den Weg weiterzugehen, um das Leben herum, große Ferien, große Pausen ignorierend, mitten hinein in die Poesie?

Nur geben Sie mir bitte erst ein Glas Wasser oder eine Tasse Tee. Mich dürstet. Und vielleicht lassen Sie mich eine Nacht nur schlafen und dann, gleich morgen oder nächste Woche, dann wollen wir den Weg wieder aufnehmen. Schauen wir, ob uns das möglich ist.

Jetzt will ich aber erst trinken, erst schlafen. Und, es sei mir gegönnt, von Candy Dulfer träumen.

(zu Lektion 1 + 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 100)

 

 

Wie lerne ich zu schreiben wie Herr Hund? Lektion 6: Langer Atem und Mundgeruch.

Bitte setzen! Willkommen zu Lektion sechs.

Zum heutigen Thema haben wir einen Gast, auf seinem Gebiet ein Fachmann und für unsere Fragestellung der richtige Mann. Er ist Zahnarzt, wurde nachdrücklich gebeten, an unserem Seminar teilzunehmen, findet die ganze Angelegenheit aber ziemlich blöde und möchte deshalb anonym bleiben. Gut, das respektiere ich. Und sie sollen es bitte auch. Es werden also in der Folge keine Fragen zu seiner Identität beantwortet. Und der Sack über seinem Kopf bleibt da, wo er ist. Fangen wir lieber an. Zeit ist kostbar.

– Fred (Name wurde von mir geändert), ist Mundgeruch gut?

– Können Sie die Frage wiederholen? Unter dem Sack hört man so schlecht.

– FRED (Name wurde noch immer von mir geändert), IST MUNDGERUCH GUT?

– Nein.

– Danke Fred (sie erinnern sich? geändert, genau.) Sie dürfen gehen.

– Bitte?

– Gehen.

– Was?

– Verpiss dich, Fred (geändert, ja. muss ich das ständig wiederholen?) !

– Danke, sehr freundlich.

– Und halt’s Maul!

– Schon gut, ich verrate nichts, so wahr ich…….

– ….ah, red nicht weiter Fred (Mein Gott, das sollte jetzt wohl jeder begriffen haben, DAS IST NICHT SEIN RICHTIGER NAME!!!!!). Geh einfach!!! Einer von den Schülern bringt Dich raus. Und der Sack kommt erst draußen wieder runter, klar?

– Ja, ja, Ciao! Hoffe, ich konnte helfen.

– Bringen Sie ihn bis nach draußen, Herr….wie war der Name…McGuffin. Danke. Machen Sie schnell, damit wir weitermachen können. Und der Sack bleibt drauf, klar? Die Handfesseln können Sie ihm lösen. Aber erst draußen.

Ja, das also unser Gast. Fassen wir zusammen: Mundgeruch ist nicht gut. Und wenn Sie mir nicht glauben wollen, ihm können sie es. Was heißt das nun aber für Ihr Schreiben? Natürlich ist auch wichtig, einen langen Atem zu haben. Die Wege zum Olymp sind steil, lang und schlecht ausgebaut, Ausdauer also nicht ganz unwichtig. Die Aussicht von dort oben lohnt aber die Anstrengung, wenn auch die Mieten aufgrund der guten Lage exorbitant sind. Konnte mir selbst nur ein Zwei-Zimmer-Appartment mit Blick auf den Hof leisten.  Ich habe zwar das richtige Werk, aber den falschen Verleger für allerbesten Wohnkomfort auf dem Olymp. Immerhin gibt es einen ganz guten Bäcker. Und für die Eltern unter Ihnen, es sind noch Kitaplätze frei. Falls Sie es schaffen sollten, bevor die Kinder aus dem Haus sind.

Neben dem langen nicht ganz unerheblich oder sogar noch wichtiger ist frischer Atem. Wenn Ihre Texte nach alten Socken, Kebab, überhaupt Unverdautem oder noch viel Schlimmerem riechen -man schreibt nämlich nur einmal über Feuchtgebiete und hat Erfolg damit-, wird der Dialog zwischen Ihrem Text und seinem Leser im besten Fall zu Brechreiz, im schlimmsten zur Vollnarkose führen. beim ersteren mag noch ein Putzeimer (ach ja!!!) helfen. Ist der Leser aber einmal ins Koma gefallen, hilft auch kein Prinz mehr. Und wenn Sie hundert Jahre darauf warten.

Seien Sie also darauf bedacht, dass Ihre Gedanken frisch sind (aber nicht steril bis aseptisch, ihre Geschichte sollen nicht die Abenteuer des Meister Propper und dem Weißen Riesen erzählen, es geht hierbei nicht um Colgate-Frische); ebenso dürfen Ihre Worte nicht abgestanden sein. Originalität, um der Frische mal einen griffigen Namen zu geben, bedeutet nicht, der Erste zu sein, sondern bei sich den Anfang zu finden, die Quelle. Schöpfen Sie aus sich selbst, ist es nämlich ganz gleich, ob es ein Fünfzeiler ist oder ein Unendlicher Spass (in der englischen Übersetzung Infinite Jest) werden soll. Es ist neu, es ist frisch, es riecht nicht nach faulen Eiern. Beste Vorraussetzungen also, um für frischen Wind zu sorgen.

Wenn ich Sie jetzt verabschiede bis zur nächsten Woche, mit dem Zusatz „in alter Frische“, dann verlange ich in erster Linie nicht, dass Sie zur nächsten Stunde geduscht, mit geputzten Zähnen und deodoriert erscheinen sollen, obwohl es schon schön wäre. Sie sollen mit sich ausgemacht haben, wer bin ich, was will ich und lohnt es sich für mich noch, weiter Kursgebühren zu bezahlen? Finden Sie Ihre Quelle und trinken Sie.

Und entschuldigen Sie mein esoterisches Schlusswort. Kann sein, es riecht schon ein wenig.

Ciao!